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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst
Autoren: Klaus Wanninger
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da bin ich mir sicher.«
    Dann sind wir tatsächlich ein kleines Stück weiter, überlegte der Kommissar. Ein Kerl, der A-Klasse fährt und eine olivgrün-braun gemusterte Jacke trägt. Wie oft es diese Kombination wohl gibt?
    »Das hilft Ihnen doch hoffentlich?« Umgelters unsteter Blick heischte nach Anerkennung.
    Was sollte er dem Mann antworten? Wie viele Typen waren in eine Militärjacke gekleidet mit dieser Karre unterwegs? Im Großraum Stuttgart lebten etwa drei Millionen Einwohner, die Hälfte davon männlichen Geschlechts. Selbst wenn man die ganz jungen und die ganz Alten ausschloss, blieben mindestens eine Million Männer übrig. Und wer garantierte überhaupt, dass der Täter aus der Region stammte?
    Braig lehnte sich zurück, seufzte laut auf. Wieso ihm der Spruch plötzlich einfiel, wusste er nicht. Auch nicht, wo er ihn schon einmal gehört hatte. »Leib und Seele in Harmonie – findest im Grab du, vorher nie«, sagte er laut.
    Sein Gesprächspartner schaute verwundert zu ihm hin.

3.
    Sie waren gerade aus dem Schatten des schmalen Weges getreten, der von der Achalm zur Stadt hinunter führte, als er die junge Frau am Rand des Asphalts knien sah. Stefan Raistle blieb unwillkürlich stehen, streckte den Arm zur Seite, um seine Begleiterin davon abzuhalten, weiter zu sprinten, wies nach vorne.
    »Was ist?«, fragte Miriam Brenz, Überraschung im Blick und in der Stimme. Sie atmete heftig, warf ihrem Lebensgefährten einen erstaunten Blick zu, konzentrierte sich dann auf die Straße.
    Prächtige Villen inmitten weitläufiger Gartenanlagen und – trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit – immer noch kräftig grüner Rasenflächen beidseits der schmalen Fahrbahn, drei in weitem Abstand voneinander geparkte Autos, dahinter das Zentrum Reutlingens im Tal – ein idyllisches Bild. Was nicht passte, war das Verhalten einer jungen Frau. Sie kauerte, Kopf vor, am Rand des Gehwegs, erbrach sich lauthals in den Abfluss der Straße.
    »Die Frau«, sagte Raistle, »was ist mit ihr?«
    Sie waren kurz vor acht, wie jeden Samstagmorgen, in sportlicher Kleidung zu Hause gestartet, die Sommerhaldestraße hoch, am Sender und der Höhengaststätte vorbei, dann den steilen Hang zur Achalm hinauf – alles im bedächtigen Tempo erfahrener Jogger, hatten den Blick auf den Albtrauf und die Stadt genossen und sich anschließend auf den Rückweg gemacht, eine warme Dusche und frische Kleider, dazu ein kräftiges Frühstück in Aussicht. Und jetzt diese würgende, spuckende junge Frau.
    »Sie braucht Hilfe.« Miriam Brenz löste sich aus ihrer Erstarrung, lief auf die am Boden hockende Gestalt zu.
    Ein junges, spindeldürres Ding kaum über zwanzig. Kurze blonde Haare, ein gelbgrün gemustertes Sweatshirt, schwarze Jeans. Sie schnappte nach Luft, starrte auf den Boden. Speichel und unverdaute Nahrungsreste hingen ihr aus dem Mund.
    Raistle ließ seiner Lebensgefährtin den Vortritt, hatte stechend säuerliche Ausdünstungen in der Nase. Kleine Häufchen von Erbrochenem waren über den Rand der Straße verstreut.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Miriam Brenz’ kräftige Stimme schien nicht zu der jungen Frau vorzudringen. Die sportlich gebaute Joggerin bückte sich nieder, wiederholte ihre Frage. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    Keine Reaktion.
    »Was haben Sie gegessen?«
    Die junge Frau schnappte nach Luft, würgte den letzten Rest einer hellen Flüssigkeit auf den Asphalt.
    »Zuviel Alkohol heute Nacht«, erklärte Stefan Raistle.
    Das Verhalten der Frau änderte sich auf der Stelle. Sie schluchzte laut auf, verschluckte sich, hustete und spuckte. Tränen schossen ihr in die Augen.
    »Du Idiot!«, giftete Miriam Brenz. »Was Besseres fällt dir nicht ein, was?« Sie legte der Frau vorsichtig die Hand auf die Schulter, zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Jogginghose. »Hören Sie nicht auf sein dummes Geschwätz. Hier, vielleicht können Sie sich damit Ihr Gesicht säubern.«
    Es dauerte mehrere Sekunden, bis sich die Angesprochene beruhigt hatte. Sie nahm das Taschentuch entgegen, wischte sich über den Mund, die Wangen und das Kinn, spuckte dann ein letztes Mal auf den Boden.
    »Ich will Ihnen helfen«, unternahm Miriam Brenz einen neuen Versuch. »Am besten, wir stehen erst einmal auf.« Sie erhob sich langsam, reichte der Frau die Hand, zog sie vorsichtig hoch. Die Kranke zitterte am ganzen Leib.
    »Wohnen Sie hier in der Nähe?« Der Gestank des Erbrochenen stach ihr in die Nase. Wir müssen hier weg, überlegte sie,
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