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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst
Autoren: Klaus Wanninger
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ja.«
    »Wie groß war sie?«
    »Die Jacke?«
    »Ja. Wie weit reichte sie ihm?«
    Umgelter überlegte eine Weile, stellte sich aufrecht hin, hielt beide Hände waagrecht ausgestreckt über seine Hüften. »So ungefähr.«
    »Nicht länger?«
    Der Mann setzte sich wieder, zog seine Mundwinkel hoch, wusste nicht, was er antworten sollte. »Ich habe es nicht genau gesehen, ehrlich gesagt. Ich war zu aufgeregt.«
    Braig nickte, konnte sich gut in die Situation des Mannes versetzen. So sehr es ihn schmerzte, mehr konnte er nicht verlangen. Nicht von einem Menschen, der unverhofft Augenzeuge eines solch brutalen Geschehens geworden war.
    »Aber dass er diese Militärjacke trug, dessen sind Sie sich sicher? Entschuldigen Sie bitte meine Skepsis, aber es war dunkel, deshalb will ich mich vergewissern. Sie können es nicht verwechselt haben?«
    »Nein, auf keinen Fall. In dem Moment, als ich die Jacke sah, war ich nur noch drei, vier Schritte hinter ihm und wollte ihn schon packen.«
    Immerhin etwas, überlegte Braig, ein kleiner Fortschritt, wenn es sich wirklich um die Bestie handelte, der sie seit zwei Wochen hinterher waren. Eine Militärjacke! – Und es sah wirklich danach aus, dass auch heute Nacht wieder der Täter zugeschlagen hatte, der sie jetzt schon das dritte Wochenende hintereinander in Atem hielt. Jeweils in der Nacht von Freitag auf Samstag fiel er über Frauen her, die sich zu dieser Zeit draußen aufhielten. Vor zwei Wochen hatte er eine Disco-Besucherin auf dem Heimweg überrascht, am letzten Wochenende eine junge Frau, die von daheim ausgerissen war und gerade auf der Straße lebte, heute eine Zeitungsausträgerin, die ihren Job wie gewohnt am frühen Morgen ausgeübt hatte.
    Dass es sich immer um denselben Täter handelte, war der außergewöhnlichen Brutalität zu entnehmen, mit der er jedes Mal vorgegangen war: Er hatte seine Opfer mit Gewalt ins Gesicht geschlagen und fast bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, dann anschließend versucht, sie zu vergewaltigen. Zum Glück war er kein einziges Mal zu seinem Ziel gelangt, sondern immer durch zufällig aufgetauchte Passanten oder wach gewordene Anwohner überrascht und verjagt worden. Den Frauen hatte er zu diesem Zeitpunkt jedoch schon dermaßen zugesetzt, dass sie nicht nur von Würgemalen entstellt, sondern auch dermaßen verschreckt, ja traumatisiert waren, dass es Stunden oder gar Tage dauerte, bis sie sich zu ersten Gesprächen über das Vorgefallene imstande sahen. Kein Wunder, dass die Medien in immer größerer Aufmachung von den Verbrechen des unbekannten Serientäters berichteten. In enger Zusammenarbeit mit seiner Kollegin Stefanie Riedinger hatte sich Braig die ganze Woche bemüht, Hinweise auf die Identität des Mannes zu erlangen, ohne bisher entscheidende Erkenntnisse vorweisen zu können. Zwar hatte man bei beiden bisherigen Opfern Faserreste unbekannter Kleidungsstücke identifizieren können, ob diese jedoch dem Unbekannten zuzuordnen waren, ließ sich erst bei einem Vergleich mit dem Mann selbst feststellen. Wie sollte man das in die Tat umsetzen, wo nicht einmal grundlegende Indizien wie etwa sein DNA-Code vorlagen?
    Was die Ermittlungen zudem ungemein erschwerte, war nicht nur sein zeitlich unregelmäßiges Auftauchen, auch die Orte seiner Überfälle schienen völlig willkürlich gewählt. Hatte er sein erstes Opfer in Stuttgart in der Kronenstraße überwältigt, war er in der darauf folgenden Woche in der Filderstraße im Leinfelden-Echterdinger Stadtteil Musberg über eine andere Frau hergefallen. Schon bei seinem zweiten Auftreten in Musberg hatten Riedinger und Braig aufgrund der schweren Verletzungen des Opfers sofort den Zusammenhang mit dem vorangegangenen Verbrechen erkannt: Die außergewöhnliche Brutalität des Unbekannten war nicht zu übersehen. Dass der Täter heute in Ossweil, einem Vorort Ludwigsburgs zugeschlagen hatte, trug weiter zur Verwirrung bei: Der Verbrecher schien ohne jedes System im gesamten Großraum Stuttgart unterwegs auf der Suche nach potenziellen Opfern.
    Mehr als dürftig waren die bisher zusammengetragenen Beschreibungen der Person des Gesuchten: Ein von seiner Körpergröße her wenig auffälliger, vielleicht 1,70-1,75 Meter großer Mann mit normaler Figur, was immer das heißen mochte. Bei seinen Attacken mit Jacke und Kapuze gekleidet, hatten die bisherigen Opfer seine Stimme als seltsam heiser beschrieben – wahrscheinlich eine bewusste Manipulation des Täters, wie Braig vermutete, um die
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