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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst
Autoren: Klaus Wanninger
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Abstand gewinnen, sonst kommt sie überhaupt nicht zu sich.
    Die junge Frau reagierte wie in Zeitlupe. Sie starrte mit unstetem Blick in die Umgebung, schien die beiden Menschen in ihrer Nähe überhaupt nicht wahrzunehmen.
    »Ihre Wohnung?«, wiederholte Miriam Brenz. »Ist sie hier in der Nähe?«
    Langsam schien sie zu begreifen. Sie öffnete ihren Mund, setzte zu einer Antwort an. »H …«, kam es leise, »h …«.
    Die wiegt keine 50 Kilo, überlegte die Frau, betrachtete den dünnen, feingliedrigen Körper des jungen Wesens. Nicht einmal 45. Bulimie?
    »Sie steht unter Schock«, kommentierte ihr Lebensgefährte mit leiser, sanfter Stimme. »Die kann im Moment nicht antworten. Vielleicht sollten wir einen Arzt rufen.«
    Miriam Brenz schüttelte energisch den Kopf. »Zuerst versuchen wir es selbst. Die muss hier irgendwo wohnen, sonst wäre sie doch nicht hier.« Sie wandte sich wieder der Kranken zu, strich ihr vorsichtig mit der Hand über die Stirn. »Wo ist Ihre Wohnung?«, fragte sie dann.
    »H … hier.« Der ausgestreckte Arm wies auf das wenige Meter entfernte Gartentor.
    »Dann gehen wir ins Haus.« Sie legte ihr die Hand auf die Schulter, spürte, wie sehr sie immer noch zitterte, bewegte sich langsam, Schritt für Schritt, auf den Eingang zu. Die Pforte, eine etwa 1,50 Meter hohe, filigran gearbeitete Metallkonstruktion, stand offen.
    Miriam Brenz schob die Tür vollends zurück. Ihr schrilles Quietschen schmerzte in den Ohren. Sie schaute ins Innere des Gartens, sah eine große von Hecken und blühenden Rosenbüschen eingerahmte Villa vor sich. Ein schmaler, mit hellen Steinplatten ausgelegter Weg führte von Blumenkübeln flankiert in einem rechten Winkel darauf zu. Der Haupteingang schien auf der Schmalseite des Hauses zu liegen, nicht einzusehen von der Stelle, an der sie sich befanden.
    Die junge Frau hatte die Gartenpforte erreicht, blieb unverhofft stehen. Sie warf einen hastigen Blick auf das Haus, fing augenblicklich an zu schreien. Sie riss sich von ihrer Begleiterin weg, taumelte zur Seite, ruderte mit den Armen durch die Luft. Bis Miriam Brenz reagieren konnte, lag sie bereits auf dem Boden, das Gesicht vor Angst zur Grimasse verzerrt.
    »Irgendetwas stimmt da nicht«, meinte Raistle.
    »H … hier«, stöhnte sie. Es war mehr ein Seufzen, weniger ein von normaler Kommunikation her gewohntes Sprechen. Ihr rechter Arm zeigte geradewegs auf das Haus.
    Miriam Brenz bückte sich zu ihr nieder, fuhr ihr sachte übers Haar. »Sie wohnen hier, ja?« Sie schaute auf das Schild, las den Namen. »Familie Sattler.«
    Die Reaktion der Frau erfolgte im gleichen Moment. Ihr infernalisches Schreien verursachte physische Schmerzen. Erschrocken trat Brenz zur Seite.
    »Irgendetwas stimmt da nicht«, wiederholte Raistle.
    Seine Lebensgefährtin strich der Frau weiter über die Stirn, versuchte sie zu beruhigen. »Warum läutest du nicht?«, fragte sie.
    Er drückte auf die Glocke, wartete auf eine Reaktion. Ein gedämpfter Gong war in mehrfacher Wiederholung aus dem Haus zu hören.
    »Nichts«, sagte er, »da tut sich nichts.«
    Ein Auto kam die Straße hoch, ein kleiner, gelber Sportwagen, fuhr langsam vorbei, bog nach links ab.
    »Ich schaue mal nach«, erklärte Miriam Brenz. Sie erhob sich, ließ die junge Frau, die leise vor sich hin wimmerte und immer noch am ganzen Körper zitterte, liegen, folgte dem schmalen Zugang zum Haus. Erst sechs, sieben Meter geradeaus, dann in scharfem Winkel nach rechts.
    »Und?«, rief Raistle hinter ihr her. »Alles okay?«
    Sie sah es schon von weitem. Die Haustür stand offen, der Vorraum war hell erleuchtet. Drei Strahler warfen ihr grelles Licht direkt auf den Körper eines Mannes. Er lag auf dem Boden, still und ohne jede Bewegung.
    Miriam Brenz begriff im Bruchteil einer Sekunde, weshalb die junge Frau so vollständig außer sich war.

4.
    Katrin Neundorf hatte es an diesem Samstagmorgen nicht geschafft, pünktlich im Büro im Landeskriminalamt zu erscheinen, Bereitschaftsdienst hin oder her. Kurz nach halb Acht waren sie und ihr Lebensgefährte Thomas Weiss vom Telefon aus dem Schlaf gerissen worden, einer neuen Hiobsbotschaft aus dem Amt gewiss. Sie hatte sich zur Seite gedreht und nach dem Hörer gegriffen, ihren Beruf ob seiner unangenehmen Seiten verwünschend. »Oh nein, wen hat es jetzt wieder erwischt?«
    »Frau Neundorf?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung war ihr unbekannt.
    Sie zögerte, gab dann ein unfreundliches »Was ist los?« von sich.
    »Ihre
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