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Schutzlos: Thriller (German Edition)

Schutzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schutzlos: Thriller (German Edition)
Autoren: Jeffery Deaver
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die
Schachtel öffnete, fand ich dieses Blatt – eine alte To-do-Liste für ein Fest, mit den Namen der Gäste, die anzurufen waren, den Lebensmitteln und Dekorationsartikeln, die gekauft werden mussten. Ich hatte das vergilbte Dokument geistesabwesend in meine Tasche gesteckt und heute Morgen entdeckt. Die Party hatte vor Jahren stattgefunden. Sie war das Letzte, woran ich im Augenblick erinnert werden wollte.
    Ich blickte auf die Handschrift auf dem verblassten Stück Papier und steckte es in den Reißwolf, der es zu Konfetti verarbeitete.
    Das Päckchen legte ich in den Safe hinter meinem Schreibtisch  – nichts Tolles, keine Iriserkennung, nur ein klickendes Zahlenschloss –, dann stand ich auf. Ich zog ein dunkles Sakko über das weiße Hemd, meine übliche Arbeitskluft, selbst wenn ich samstags im Büro war, und machte mich auf den Weg zum Büro meines Bosses. Sonnenlicht, das blass durch die verspiegelten, kugelsicheren Fenster fiel, zeichnete Streifen auf den grauen Teppich im Korridor. Meine Gedanken waren nicht mehr bei Immobilienpreisen in Maryland, erhaltenen Päckchen oder unerwünschten Erinnerungen an die Vergangenheit. Sie waren einzig auf das Wiederauftauchen von Henry Loving gerichtet – den Mann, der sechs Jahre zuvor meinen Mentor und guten Freund Abe Fallow in einem Graben neben einem Baumwollfeld in North Carolina gefoltert und ermordet hatte, während ich seine Schreie über das nicht abgeschaltete Handy mit anhören musste.
    Sieben Minuten Schreie bis zum erlösenden Schuss, der nicht aus Barmherzigkeit abgegeben wurde, sondern nur aus Gründen professioneller Effizienz.

2
    Ich saß in einem der abgenutzten Sessel unseres Direktors neben einem Mann, der mich offenbar kannte, da er mir bei meinem Eintreten mit einiger Vertrautheit zugenickt hatte. Ich konnte ihn jedoch nirgends unterbringen, wusste nur, dass er Staatsanwalt war. Etwa mein Alter – vierzig – und klein, ein bisschen teigig, mit Haar, das einen Schnitt nötig hatte. Fuchsaugen.
    Aaron Ellis bemerkte meinen Blick. »Du erinnerst dich an Jason Westerfield von der Staatsanwaltschaft?«
    Ich täuschte kein Wiedererkennen vor und gab ihm nur die Hand.
    »Freddy hat mich schon informiert.«
    »Agent Fredericks?«, fragte Westerfield.
    »Richtig. Er sagte, es ginge um einen Mandanten in Fairfax und einen Lifter, der in den nächsten Tagen Informationen brauchen wird.«
    Westerfields Stimme war hoch und irritierend spielerisch. »Worauf Sie wetten können. Soweit wir hören, jedenfalls. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel mehr, als dass der Lifter eindeutig einen Startbefehl erhalten hat. Jemand braucht bis Montagabend Informationen von dem Mann, sonst ist der Teufel los. Wir haben allerdings keine Ahnung, worum sich die ganze Scheiße dreht, pardonnez-moi .«
    Während ich wie ein Staatsanwalt für einen Auftritt vor Gericht gekleidet war, trug Westerfield Freizeitkleidung – eine Kleidung, mit der man am Wochenende nicht ins Büro ging, sondern zum Campen. Chinos, ein kariertes Hemd und eine Windjacke. Ungewöhnlich für Washington, wo Bürostunden am Samstag und Sonntag keine Seltenheit waren. Vielleicht ist er ein Cowboy, kam mir in den Sinn. Ich bemerkte auch, dass er auf der Sesselkante saß und Akten mit seinen Stummelfingern
umklammerte. Nicht weil er nervös gewesen wäre – er sah nicht wie der Typ aus, der überhaupt nervös wurde –, sondern weil er angespannt und voller Tatendrang war. Ein Feuer brannte in ihm.
    Hinter uns ertönte eine weibliche Stimme. »Entschuldigen Sie bitte die Verspätung.«
    Eine Frau von etwa dreißig stieß zu uns. Eine bestimmte Art von Nicken, und mir war klar: Sie war Westerfields Assistentin. Straff frisiertes Haar, das an den Schultern endete, blond. Neue oder frisch aus der Reinigung kommende Blue Jeans, ein weißer Pullover unter einer braunen Sportjacke und ein Halsband mit eindrucksvollen, cremefarbenen Perlen. Ihre Ohrringe waren ebenfalls Perlen, begleitet von gleichermaßen fesselnden Diamanten. Trotz ihrer Jugend trug sie eine Brille mit drei verschiedenen Brennweiten, dunkel gerahmt – ich sah es an der Art, wie ihr Kopf leicht auf und ab ging, als sie das Büro und mich in Augenschein nahm. Ein Schäfer muss die Konsumgewohnheiten seiner Mandanten kennen – es trägt viel dazu bei, sie zu verstehen. Und ich bemerkte instinktiv Chanel, Coach und Cartier. Ein reiches Mädchen und wahrscheinlich eine der Jahrgangsbesten an der juristischen Fakultät von
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