Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
Autoren: Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
Vergleichbares mitangesehen hatte.
    Der S1 erreichte den Scheitelpunkt des Passes. Für einen kurzen Augenblick nahm das riesige Gefährt eine waagerechte Position ein. Lincoln drosselte die Geschwindigkeit, um den Mitreisenden einen letzten Blick auf die außerirdische Stadt zu ermöglichen.
    Obwohl Henry zum ersten Mal seit ungezählten Stunden nicht mehr in akuter Lebensgefahr schwebte, verspürte er ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Er verengte die Augen und versuchte, im Sternenschein mehr von der Ansammlung uralter Ruinen zu erkennen.
    Was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
    »Gib Stoff!«, brüllte er in den vorderen Teil des Fahrzeugs. »Hörst du, Link? Mach, dass wir von diesen Bergen wegkommen!«
    Verwirrt folgten Eileen und die anderen mit Blicken Henrys ausgestrecktem Zeigefinger.
    Im Zentrum des Ruinenfelds hatte sich ein gigantischer Trichter gebildet. Alles, was sich dort befand – Häuser, Türme, Straßen, Mauern und Wälle –, sackte haltlos in die Tiefe, schien wie durch einen riesigen Abfluss nach unten gesaugt zu werden. Und der Radius des Trichters breitete sich rasend schnell nach allen Seiten aus! Was würde geschehen, wenn er den Rand des Talkessels erreichte?
    Der S1 neigte sich vornüber, als Lincoln die Anhöhe überquerte und begann, das schwere Fahrzeug den Steilhang auf der anderen Seite hinabzusteuern. Obwohl er so schnell fuhr, wie es ihre Sicherheit gerade noch zuließ, und sie die Strecke in einem Bruchteil der Zeit schafften, die sie auf dem Hinweg mit dem SnoCat gebraucht hatten, stand Henry kalter Schweiß auf der Stirn, als sie unten ankamen.
    Die Reaktoren von Wayne Spykers Polarmobil erwachten summend zum Leben, als Lincoln auf Höchstgeschwindigkeit ging und den stählernen Koloss über das Eis in Richtung Westen steuerte. Stumm verfolgte Henry durch die Scheibe, wie der Gebirgszug hinter ihm zurückblieb und im Zeitlupentempo kleiner wurde.
    Golitzin kam nach hinten, um zu sehen, wie es ihnen ging. Er hatte noch keine Zeit gefunden, sich zu säubern, Gesicht und Kleidung waren über und über mit Felsstaub bedeckt. Blut sickerte aus einer Platzwunde auf seiner Wange. Der Russe wirkte mindestens zehn Jahre älter als zu Beginn ihrer Reise und sah unendlich müde aus.
    »Scheint, als hätten wir es geschafft.« Schwer ließ Golitzin sich neben Henry auf die gepolsterte Bank fallen. »Ich hätte fast nicht mehr daran geglaubt, dass …«
    Er verstummte, als Henry wortlos aus dem Fenster deutete.
    Einen knappen Kilometer hinter ihnen gerieten die gezackten Spitzen des Gebirgszuges zögernd in Bewegung. Zunächst hielt es Henry für einen Streich seiner überreizten Augen, doch rasch gab es keinen Zweifel mehr: Die Berge selbst schwankten unendlich träge hierhin und dorthin, bevor sie beinahe synchron begannen, sich in Richtung des Talkessels zu neigen.
    Und dann, mit einem urzeitlichen Dröhnen, das selbst hier, im Innern des S1, zu hören war, gerieten Abermillionen Tonnen Fels in Bewegung. Wie kolossale Bauklötze kippten sie nach innen, stürzten in sich zusammen und begruben die Saat dessen unter sich, was hundert Millionen Jahre zuvor aus dem Weltall gekommen war.
    Eine unvorstellbar hohe Staubwolke verdunkelte die Sterne, gnädige Finsternis überschwemmte das Eis.
    »Ach du grüne Neune!« Professor Albrecht war der Erste, der nach etlichen Minuten die Sprache wiederfand. »Das Tunnelsystem scheint sich noch viel weiter erstreckt zu haben, als Spyker glaubte.«
    Eileen nickte ehrfürchtig. »Die Dienerwesen müssen das gesamte Gebirge unterkellert haben.«
    »Eins ist auf jeden Fall sicher …« Henry ergriff die Hand seines Vaters und drückte sie sanft.
    »Und das wäre?« Die Blicke Boris Golitzins und aller anderen wandten sich fragend in seine Richtung.
    »Dort, wo die außerirdische Substanz jetzt ist, wird definitiv nie wieder jemand damit in Berührung kommen.« Henry spürte, wie sein Vater den Druck seiner Hand erwiderte. Da tat er etwas, wovon er zwischenzeitlich bezweifelt hatte, dass es ihm je wieder gelingen würde.
    Henry lächelte.

Epilog
     
    ST.-ELIAS-HOSPITAL, TORONTO,
    05. MAI 2013
     
    »Donald! Du siehst fantastisch aus!« Begeistert eilte Eileen Cavanaugh zum Bett und drückte Donald Wilkins einen Kuss auf die teilweise bandagierte Wange.
    Schmunzelnd betrat Henry hinter der Wissenschaftlerin das Krankenzimmer und schloss die Tür zum Flur. »Fantastisch« war wohl noch ein wenig übertrieben, aber im direkten Vergleich zu dem Anblick,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher