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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep
Autoren: Jens Schumacher
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unvorstellbaren Wucht des Ansturms in die Höhe. Natürlich war es nur eine optische Täuschung, verursacht durch die Schwingung, in welche das Monstrum das Schiff versetzt hatte. Henry riss sich zusammen und hob einen Arm, um Ottenthals Attacke irgendwie abzuwehren.
    Doch der Schlag blieb aus.
    Als er den Greifer senkte, sah Henry, dass der unerwartete Ruck Ottenthal von den Füßen gerissen hatte. Er lag neben der Einstiegsluke auf dem Boden, war allerdings schon dabei, sich wieder aufzurichten.
    Fest entschlossen, die unerwartete Chance zu nutzen, stapfte Henry über den noch immer schwankenden Stahl vorwärts. Kurz bevor Ottenthal sich hochstemmen konnte, kickte Henry ihm den Arm unter dem Körper weg. Schwer prallte sein Gegner zu Boden.
    Doch erneut kam Ottenthal die Spezialausbildung zugute, die er im Umgang mit dem Hartanzug durchlaufen hatte: Instinktiv packte er mit dem freien Greifer zu und erwischte Henrys Linke. Das plötzliche Zusatzgewicht riss Henry von den Füßen, und er prallte der Länge nach auf Ottenthal.
    Sie kämpften verbissen. Henry versuchte, seinen Arm freizubekommen, während Ottenthal sich bemühte, mit der Schweißlanze eines seiner Helmfenster zu zerschmettern.
    Bereits nach wenigen Sekunden stand Henry der Schweiß auf der Stirn. Ottenthal war kräftiger als er, außerdem hatte er unzählige Übungsstunden im Hartanzug hinter sich. Während Henry wie wild zerrte und zog, den Manipulator des gefangenen Arms unkontrolliert auf- und zuschnappen ließ, erkannte er plötzlich dicht vor sich, getrennt nur durch zwei Schichten spezialgehärtetes Glas, das Gesicht seines Gegners.
    Er sah einen unrasierten Mann Ende dreißig mit unreiner Haut und schütterem Haar. Er sah Schweißperlen auf seiner hohen Stirn, Zähne, die sich vor Anstrengung in die Unterlippe gegraben hatten. Und er sah Angst.
    Unverhohlene Panik flackerte in Ottenthals Augen – die durchaus begründete Furcht, sein Anzug könne beschädigt werden.
    Henry erkannte seine Chance. Er ignorierte seine eigenen Bedenken vor einem Leck im Anzug und hob den freien Greifer, als wolle er einen Schlag gegen Ottenthals seitliches Helmfenster fuhren. Wie erwartet ruckte Ottenthals Kopf zur Seite, er ließ Henrys Manipulator los, um seinen Arm schützend vor den Helm zu heben.
    Anstatt zuzuschlagen, nahm Henry jedoch hastig seine verbliebene Kraft zusammen und stemmte sich hoch. Innerhalb weniger Augenblicke war er auf den Beinen.
    Doch sein Gegner, der die Finte durchschaut hatte, machte ebenfalls Anstalten, sich aufzurichten.
    In seiner Not hob Henry einen Stiefel und zielte mit der bleiverstärkten Sohle auf Ottenthals Brust. Der Taucher erkannte seine Absicht und riss erneut die Lanze des Schweißgeräts vor seinen Körper, um mit ihr die empfindlichen Instrumente auf der Vorderseite des Anzugs zu schützen.
    Henry legte sein ganzes Gewicht in den Tritt. Als sein Fuß die Metallstange traf, rutschte sie aus Ottenthals Greifern und schlug ungedämpft auf die Steuereinheit des Siegfried. Ein bläulich-weißer Blitz flackerte zwischen den Reglern auf, dann verloschen die Helmscheinwerfer seines Gegners. Die Greifer, mit denen Ottenthal eben noch versucht hatte, irgendwo Halt zu finden, erstarrten in der Bewegung und rührten sich nicht mehr.
    Henry hatte den Energieverteilungsmechanismus des Anzugs zerstört.
    Erleichtert wich er mehrere Schritte zurück. Ottenthal rührte sich nicht. Zwar hatte er im Innern des Anzugs fürs Erste genug Luft zum Atmen, auch Arme und Beine konnte er nach wie vor bewegen, doch ohne funktionstüchtige Greifer war er nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft aufzurichten.
    Er war geschlagen.
    Pfeifend atmete Henry aus und warf einen Blick auf die Zeitanzeige des Helms.
    0:00 Uhr.
    Er erstarrte. Jetzt erst fiel ihm auf, dass die Schläge aus dem Innern des U-Boots verstummt waren. Es war ganz ruhig, geradezu unheimlich still.
    Vorsichtig bewegte sich Henry auf die Leiter zu, die vom Turm zum Deck hinunterführte.
    Sollte es das gewesen sein? War die Bedrohung vorbei? Oder hatte sich sein Vater getäuscht, als er vermutete, der verhängnisvolle Einfluss der Massefelder von Aldebaran und Fomalhaut werde mit dem Wechsel von diesem auf den nächsten Tag nachlassen?
    Unschlüssig griff Henry nach der Leiter, setzte einen Stiefel auf die oberste Sprosse …
    In diesem Moment wurde alles anders.

41
     
    400 METER UNTER DEM INDISCHEN OZEAN,
    28. SEPTEMBER 2013, 0:00 UHR
     
    Der erste Ruck holte Henry um ein Haar von
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