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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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immer fleißig Buch geführt und Noten gegeben. Doch dieser Tag war anders. Ein Schüler hatte die gnadenlos komische Idee, den Namen Peter Silie in die Liste zu setzen. Was vom Mathelehrer mit einem Runzeln der Augenbrauen und einem »Für so ’n Scheiß gibt’s zwei Wochen lang Tafelputzen!« abgegolten wurde, nahm bei Frau F. andere Dimensionen an. Sie kontrollierte die Anwesenheit und stellte pflichtbewusst fest, dass Peter Silie nicht zum Unterricht erschienen war. Er sollte auch in den nächsten Wochen infolge als »unentschuldigt gefehlt« im Klassenbuch verewigt werden. »Wo ist denn dieser Peter? Der ist doch nie da, unmöglich so was!«, stellte Frau F. fest. Also, Peter Silie, wenn du das liest: Bei den Fehlzeiten kannst du dein Abi vergessen!
    Für körperliche Abwechslung bei all den Geistesübungen sorgte in regelmäßigen Abständen Frau M.-H., unsere Biologielehrerin. Als stereotypes Hobby, das sie offenbar mit einigen ihrer Artgenossen/​Innen gemein hat, pflegte sie ein eigens angelegtes Hochbeet, auf dem kleine Büsche und Sträucher wuchsen und das sie liebevoll auf den Namen »Kräutergarten« taufte   – auf einemSchulhof, mitten in Berlin. Eigentlich pflegten
wir
den »Kräutergarten«, in geteilter Gemeinschaftsarbeit mit anderen »Freiwilligen« während und nach der Unterrichtszeit. Frau M.-H. war für ihr   – in der Lehrerwelt würde man wohl sagen   – Durchsetzungsvermögen bei ihren Kollegen bekannt. Ich würde es »penetrant theatralisches Gängeln« nennen, aber das ist bloß eine Frage der Sichtachse. Jedenfalls handelte Frau M.-H. mit dem Direktor aus, dass, wenn die Schüler schon neue Basketballkörbe auf den Hof montiert bekämen   – ein langjähriger Kampf der Schülersprecher mit dem Lehrpersonal   –, dann auch etwas für die Biologie abfallen musste. Und nicht einfach nur irgendwas, das ungenutzte Filetstück des Schulhofs musste es sein. So wurde der freie Platz zwischen Tischtennisplatten und Mülleimern zur höchstamtlichen Bauzone für Frau M.-H.s Kräutersinfonie erklärt. Die Umsiedlung der minderjährigen Rauchertruppe folgte planmäßig, genauso wie das Aufsammeln der das Bauvorhaben störenden Kippen durch den Schüler-Hofreinigungsdienst   – gut zu erkennen an dem dreckigen Plastikeimer, der sperrigen Metall-Greifzange und den unvermeidlichen dummen Sprüchen der Herumstehenden. Geld für eine Gartenbaufirma gab es nicht, und Frau M.-H. war selber zu dick und unbeweglich, um Hand anzulegen, doch sie hatte eine Idee. Rechtlich fragwürdig und strategisch riskant, dem Zielvorhaben aber zweckdienlich, setzte sie in regelmäßigen Abständen den Rahmenplan außer Kraft und beförderte uns vom simplen unselbstständigen Schüler zum verantwortungsbewussten Bio-Bautrupp ersten Grades. Die theoretische Relevanz des Unterrichts verblasst gegenüber der dramatischen Notwendigkeit der Realität. Unbekannte Schüler hatten einen Teil des bereits mühsam von dem Bautrupp dritten Grades   – Siebtklässler   – errichteten Kräuterwalls niedergetreten. Dieser musste nun wieder ausgebessert werden, und wenn wir schon mal dabei waren: Der Hof war ein einziger Saustall und bedurfte einer generellen Komplettreinigung. Frau M.-H. dachte ebenso pragmatisch wie sozial. Ein Teil der Klasse nimmt sich Eimer und Zangen und putzt mal eben den Hof, der Rest nimmt sich Schippe und Spaten und folgt Frau M.-H. zum Einsatzort, war die Parole.
    Während wir so schippten und Steine stapelten, überwachte Frau M.-H. unsere Aktivitäten und behielt sehr genau den Überblick,welcher Schüler sich besonders um ihr Hobby bemühte und wer sich beschwerte. Beweisen wird man es wohl nie können, aber wer mit einem Lächeln im Gesicht fröhlich ihre persönliche Marotte unterstützte, dem war Frau M.-H. wohlgesinnt   – auch in Fragen der Benotung. Sie schien immer bestens darüber urteilen zu können, wer sich ganz besonders viel Arbeit machte und wer sich drückte. Die Kräuterzüchterei fand thematisch natürlich niemals Einzug in den Unterricht und hatte somit für uns weder praktischen noch theoretischen Nutzen. Im Laufe des Jahres fanden sich allerdings immer weniger »Freiwillige« zur Unterstützung ihrer Marotte, und so aktivierte Frau M.-H. ihre letzte Reserve, zog das letzte Register und spielte die noch einzig verbliebene Jokerkarte im Stapel ihres fadenscheinig übertünchten persönlichen Interesses: die AG.   Eine Arbeitsgemeinschaft Biologie, oder auch Bio-AG musste
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