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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter
Autoren: Amanda Cross
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mit Auszeichnung ihren Abschluß machen und – so sie wollte – weiterstudieren konnte. Viele Theban-Absolventinnen wollten. Die Liste der Ehemaligen war in der Tat sehr beeindruckend oder wäre es gewesen, hätte das Theban sie veröffentlicht. Aber das Theban hatte kein Interesse daran, irgend jemanden zu beeindrucken.
    Zur Zeit seiner Gründung war das Theban aber noch in anderer Hinsicht einzigartig: Es nahm auch Jüdinnen auf. Natürlich nur die richtigen, die Jüdinnen, von denen es später heißen würde, »sie gehören zu uns«; trotzdem war Matthias Theban mit dieser Maßnahme wie mit anderen seiner Zeit weit voraus. In den Abschlußklassen der Schule gab es Warburgs, Schiffs, Loebs und Guggenheims; später, nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich sogar Spence, Chapin und Miss Hewitt’s bemüßigt fühlten, ein paar Jüdinnen aufzunehmen, stellte sich heraus, daß das Theban revolutionär gewesen war, ohne seinen konservativen Ruf dadurch zu verlieren: ein kluger Schachzug.
    Aber nicht so klug wie die Verbindung erzieherischer Weisheit mit den Feinheiten der Bodenspekulation. Das erste Gebäude des Theban wurde, als es zu klein und die Umgebung zu kommerziell geworden war, für ein Vielfaches des ursprünglichen Preises verkauft: Von dem Gewinn wurde das neue Gebäude errichtet und die Stiftung aufgestockt. Nach Matthias Thebans Tod konnte die Schule erneut seinen Namen preisen, denn das zweite Gebäude – auf dem Gelände befindet sich heute das Biltmore – finanzierte problemlos den dritten und heutigen Standort der Schule in der East Seventies.
    Gegen Ende der Wirtschaftskrise hatte Kate die Unterstufe des Theban besucht, während des Zweiten Weltkriegs die Mittelstufe und während des Kalten Krieges und der hektischen Rückkehr zum »normalen« Leben die Oberstufe. Alle diese Wirren überstand das Theban wie ein Fels in der Brandung. Natürlich machte es auch Zugeständnisse: Sogar die Fanslers, Guggenheims und Rockefellers mußten Zugeständnisse machen. Aber es wurde nichts Wesentliches verändert. Kate war vor 1950 vom Theban abgegangen, zu einer Zeit, als die Studenten – die sogenannte »schweigsame Generation« – nicht aufzumucken wagten und zugleich ein Demagoge die Nation in einen Haufen zeternder Hexenjäger verwandelte. Die jungen Damen der guten Gesellschaft zogen damals in die Vorstädte, bekamen sieben Kinder und redeten über ihre Rolle als Frau.
    Miss Tyringham war die Frau, die in den Fünfzigern das Theban am Leben erhielt. Sie bezog keinen politischen Standpunkt – das gehörte sich nicht für die Leiterin des Theban. Aber sie machte auf die ihr eigene, geradlinig-heitere Weise deutlich, daß Veränderungen möglich waren. Sie wußte, daß Schulen nicht sterben; aber das, was heute noch lebendig ist, kann morgen schon versteinert sein, ohne daß der Wandel den Beteiligten bewußt wird. Diese Entwicklung hatte Tyringham verhindert, bevor sie möglich werden konnte. Auf subtile Weise sorgte sie dafür, daß die neu aufgenommenen Schülerinnen weniger dem alten Geldadel entstammten als vielmehr Familien, deren Reichtum neu und deren Vitalität noch frisch war. Natürlich unterliefen ihr dabei auch Fehler, und das Theban hatte ein paar Mädchen in seinen Abschlußklassen, die vulgärer waren, als man sich das gewünscht hätte; aber sie wußte: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das Durchschnittsalter der Lehrer verschob sich von fünfundfünfzig auf fünfunddreißig; Miss Tyringham befürwortete die Einstellung junger, verheirateter Frauen, ermutigte diese, auch während der Schwangerschaft weiterzuunterrichten, fand Vertretungen für die Zeit der Entbindung und beglückwünschte die jungen Mütter, wenn sie nach kurzer Zeit zurückkehrten. Sie erweiterte den Lehrplan um zeitgenössische Literatur und Geschichte der Gegenwart, lange bevor das modern wurde, führte Spanisch als Alternative zu Französisch ein in einer Stadt, in der es inzwischen viele Puertoricaner gab, nahm schwarze Schülerinnen auf und sorgte mit Nachdruck dafür, daß die Treuhänder Stipendien für sie bereitstellten – und all dies, bevor Martin Luther King begonnen hatte, in Montgomery die Busse zu boykottieren. Sie honorierte Anregungen aus der Lehrerschaft und förderte so einen ausgeprägten Gemeinsinn zu einer Zeit, da die meisten Privatschulen noch die Patina frostiger Förmlichkeit pflegten und erfolglos die Feindseligkeiten vor den Schülern zu verbergen suchten, die die Lehrer in verschiedene
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