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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter
Autoren: Amanda Cross
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den Krieg protestiert, ist dafür. Vielleicht wäre ich sogar untauglich wegen meines Asthmas, aber dann würden sie ja nicht erfahren, wie ich über Vietnam denke, stimmt’s? Leo wollte gleich mit mir kommen, aber ich habe ihm gesagt, er soll bis achtzehn auf der Schule bleiben. Er findet dich toll.«
    Kate sah Reed an. »Was schlägst du vor?« fragte sie.
    »Ruf deinen Bruder an. Ich brate uns inzwischen ein paar Steaks. Einverstanden, Jack?«
    »Nur zu«, sagte Jack.

Kapitel Zwei
    D ie Schule war hundert Jahre alt und von Matthias Theban gegründet worden, weil er seinen vier Töchtern eine gute Ausbildung sichern wollte. Andere Männer hätten vielleicht die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, Gouvernanten eingestellt und mit dem Schicksal gehadert, das ihnen einen Sohn versagt hatte. Nicht so Matthias Theban. Hatte das Schicksal ihm weibliche Nachkommen beschert, so nahm er die Herausforderung an und erzog sie zu Menschen und künftigen Mitgliedern des Bildungsbürgertums. Da er seinen exzentrischen Standpunkt bezüglich der Zukunftschancen der Frau mit großem Vermögen, Einfluß und Geschick in finanziellen Dingen verband, war er in der Lage, in jenen einfacheren Zeiten, seinen Plan mit einer Leichtigkeit in die Tat umzusetzen, die dem geradezu phantastisch erscheinen muß, der heutzutage irgendeine Institution gründen will. Matthias Theban brauchte weder bürokratische Instanzen zu Rate zu ziehen noch örtliche Behörden, Gründungsgremien oder Minoritätenvertreter. Er kaufte ein Grundstück im Zentrum New Yorks, in einer Gegend, in der die Grundstückspreise zu steigen versprachen, gewann einflußreiche Freunde als Treuhänder, stellte einen fortschrittlichen Erzieher aus Harvard ein (einen Mann; Matthias Thebans Wunsch, eine Frau an der Spitze des Theban zu sehen, sollte sich erst im zwanzigsten Jahrhundert erfüllen), baute seine Schule, und sein Erziehungsexperiment nahm seinen Lauf.
    In den folgenden Jahren wurden viele Mädchenschulen und auch einige neue Jungenschulen in New York gegründet, ja sogar eine Reihe von Koedukationsschulen – diese waren eher experimentell und gaben sich weniger exklusiv. Spence, Chapin, Brearley, Miss Hewitt’s, Nightingale-Bamford und Sacred Heart gehörten mit dem Theban zur Gruppe, die unter dem Namen »Die knicksenden Schwestern« bekannt wurde: Die Schülerinnen machten einen Knicks, wenn sie Erwachsene begrüßten, gaben höflich die Hand, trugen Uniformen mit Schulblazer und wurden fast automatisch vom College ihrer Wahl aufgenommen. All das geschah natürlich nur bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Danach machte niemand über zehn noch einen Knicks, gab die Hand oder trug widerspruchslos eine Schuluniform; und die Aufnahme in ein College wurde zu einer ebenso schwierigen und langwierigen Prozedur wie ein Antrag auf die Schweizer Staatsbürgerschaft. Obwohl das Theban zu den »knicksenden Schwestern« gehörte, nahm es eine besondere Stellung ein; dessen waren sich seine Absolventinnen mit einer derart gelassenen Sicherheit bewußt, daß es die Absolventen aller anderen Schulen auf die Palme brachte. Was die Besonderheit des Theban ausmachte, war schwer zu definieren, obwohl viele, unter anderen auch Kate, es versucht hatten. Es erfüllte seine Schülerinnen trotz der unvermeidlichen Teilnahme an Kotillons und Debütantinnenbällen mit einer unbefangenen und wilden Emanzipiertheit, die sich nie vollkommen verlor.
    Das Theban rühmte sich (was nur eine Redensart ist, denn das Theban prahlte niemals mit irgend etwas) seiner verschiedenen Turnhallen, in denen die Mädchen zu den unmöglichsten Tageszeiten Basketball, Volleyball, Hallenbaseball und Hochsprung trainierten oder wie die Affen ungestüm an Ringen durch die Luft schwangen. Wie alle derartigen Schulen bot das Theban vier Jahre Lateinunterricht und, was schon seltener war, drei Jahre Griechisch. Es zahlte seinen Lehrern ungewöhnlich gute Gehälter und bildete seine Schülerinnen so sorgfältig aus, daß für alle das College ein fast unerträglicher Abstieg wurde. Die durchschnittliche Theban-Schülerin (natürlich gab es gar keine durchschnittlichen Theban-Schülerinnen) wußte zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Vassar oder Radcliffe, daß sie dort ohne jede Mühe Bestnoten erreichen konnte; daher beschäftigte sie sich in den folgenden Jahren mit Bridge, Liebesgeschichten und einem gelegentlichen kleinen Nervenzusammenbruch; im letzten Jahr nahm sie sich dann soweit zusammen, daß sie
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