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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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hatte man ihn korrekt und geschäftsmäßig in einer Art behandelt, die ihn aufwertete. Er war sich sicher, dass dies nicht nur mit dem Anzug zu tun hatte. Der Leiter der Bank war natürlich in Eile, hatte sich aber trotzdem die Zeit genommen, ihm zuzuhören. Martin hatte erklärt, dass er am selben Tag ein wichtiges Geschäft abzuschließen gedenke und dies der Grund sei, warum er sein Konto fast völlig plündern wolle. Der Bankleiter hatte sein Verständnis bekundet, und Martin erhielt ohne Probleme sein Geld. Alle waren sehr entgegenkommend gewesen.
    Bevor Martin sich am Kneipentisch niederließ, fühlte er in der Innentasche, ob die Brieftasche dort war. Das war sie, und er hatte den Eindruck, sie zeichne sich ab, so dass man sie durch das Jackett sehen musste. Dies war etwas ganz anderes, als in einen staatlichen Alkoholladen oder ins Selbstbedienungsgeschäft zu gehen, wo man nur eine Nummer in der Schlange war. Jetzt ging es um Geschäfte, wichtige Geschäfte zwischen guten Freunden. Um die Wahrheit zu sagen, war es das erste Mal, dass Martin an einer solchen Transaktion beteiligt war; das ließ er aber keineswegs durchblicken.
    Sie begannen recht munter zu plaudern, stießen an und tranken. Jeder wollte dem anderen zeigen, dass er guter Laune war. Sie redeten von nichts anderem, als dass sie sich einig werden würden.
    Dann, als die Gläser leer waren und Martin überlegte, ob es nun an ihm war, die nächste Runde auszugeben, holte Kalle einen Schuhkarton hervor, der bis dahin neben ihm gestanden hatte, und stellte ihn auf den Tisch.
    »Hier ist er«, sagte Kalle und nahm den Deckel ab.
    Martin beugte sich vor und riss die Augen auf. Zuerst konnte er es kaum begreifen. Obwohl sich seine Lippen bewegten, war er sprachlos. Der schwarze Revolver ruhte auf dem Boden des Schuhkartons. Daneben lag eine kleine, unansehnliche Patronenschachtel. Erst in diesem Augenblick begriff Martin, was Kalle damit gemeint hatte, als er davon sprach, Macht zu verkaufen. Alle Macht über das Leben anderer Menschen beruht letztendlich auf Waffen. Wer egoistisch genug ist, greift zur Waffe, und wenn er sie einmal in der Hand hat, lässt er sie nie mehr los.
    Martin machte einen tiefen Atemzug. Dann wandte er erschrocken den Kopf, um sich im Lokal umzusehen. Niemand schien sich um sie zu kümmern. Das einzige, was Martin erkennen konnte, waren gebeugte, uninteressierte Rücken und der Barkeeper an der Theke, der Mühe hatte, Ketchupflaschen zu füllen.
    »Sei ruhig«, sagte Kalle.
    Martin suchte den Blick des anderen. Er war blass geworden, und einige Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Martin konnte schwer deuten, was er in Kalles Augen fand. Es war eine Mischung von Übermut und Spott, vielleicht aber auch eine Spur verhaltener Verachtung.
    Ein ungehöriger Gedanke begann sich vorzudrängen, um Platz ins Martins Gehirn zu finden. Er wirbelte umher und gelangte zu seinen Lippen. Martin hielt ihn aber zurück. »Was soll ich mit einem Revolver machen?« Noch hatte er ihn nicht in seiner Hand gehalten. Er begriff, dass dies ein entscheidender Augenblick war, während er gleichzeitig einsah, dass er kaum eine Wahl hatte. Es war eine Frage der Männlichkeit. Seine Freundschaft mit Kalle und in gewisser Hinsicht seine ganze Zukunft standen auf dem Spiel. Es durfte nicht den Anschein haben, als zögerte er. Jedes Zögern, dieses dunkle Geschäft abzuschließen, das im Namen der Freundschaft zustande gekommen war, konnte bedeuten, dass er für immer an Glaubwürdigkeit verlor. Nicht nur in Kalles Augen, sondern vor allem in seinen eigenen. Jetzt würde sich zeigen, ob er ein Mann war oder nicht. Deshalb schluckte Martin mehrmals schwer, nicht nur um seinen Mut wiederzuerlangen, sondern auch um sich aller Bedenken zu entledigen.
    »Leg den Deckel drauf«, sagte Martin ernst.
    Kalle tat, worum er gebeten worden war. Dann schob er den Schuhkarton auf Martins Tischseite hinüber, und für einige lange, entscheidende Sekunden sahen sich die beiden Männer starr in die Augen. Dann wich Martin aus, ergriff den Schuhkarton und stellte ihn neben sich auf die Bank.
    Die Stille, die entstand, war nicht vollkommen. Als Kalle sich aufrichtete, begriff Martin, dass er laut vor sich hin zu murmeln begonnen hatte. Mit einem wütenden Stoß gegen seinen Kopf setzte er dem Murmeln ein Ende und lächelte stattdessen ein breites Lächeln, als ob er endlich mit sich einig geworden sei. Dann setzt er sich kerzengrade hin und holte die Brieftasche mit
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