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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig
Autoren: Jodi Picoult
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sah genauso aus wie das, mit dem Trixie nach Bethel gekommen war. Der Pilot – ein Yupik-Junge, der nicht viel älter als Willie sein konnte – sprang heraus. »Hi«, sagte er. »Mehr habt ihr nicht für mich?«
    Als er den Frachtraum öffnete, sah Trixie, dass ein Dutzend Hunde darin an D-Ringen angebunden waren. Während Willie die Schlittenhunde einlud, half sie Joseph von der Ladefläche des Pick-ups herunter. Auf dem Weg zum Flugzeug stützte er sich schwer auf sie, und als er einstieg, fingen die Hunde an zu bellen. »Du erinnerst mich an jemanden, den ich mal kannte«, sagte Joseph.
    Das haben Sie mir schon erzählt , dachte Trixie, aber sie nickte ihm nur wortlos zu.
    Der Pilot schloss die Luke, kletterte ins Cockpit und beschleunigte die Maschine, die kurz darauf abhob. Trixie blickte ihr nach, bis sie die Positionslichter nicht mehr von den Sternen unterscheiden konnte. Die Landebahn blinkte noch einmal auf und wurde dann wieder schwarz.
    Sie spürte, wie Willie sich ihr im Dunkeln näherte, doch ehe sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, kam ein anderer Lichtkegel auf sie zu. Er schien ihr direkt in die Augen, und sie schirmte sie mit einer Hand gegen den grellen Scheinwerfer ab. Das Snowmobil hielt vor ihnen, der dröhnende Motor verstummte, und der Fahrer stellte sich auf den Kufen auf.
    Â»Trixie?«, sagte ihr Vater. »Bist du das?«



8
    Irgendwo mitten auf der alaskischen Tundra starrte Daniel seine Tochter an, die er kaum wiedererkannte, und musste an den Moment zurückdenken, als er begriffen hatte, dass sich zwischen ihm und Trixie alles ändern würde.
    Sie war sieben. Ihr Haar war zu einem Zopf geflochten – schlecht geflochten, weil er das einfach nicht richtig hinkriegte –, und sie versuchte, nicht auf die Ritzen im Bürgersteig zu treten. Sie waren irgendwo mitten in der Stadt unterwegs und kamen an eine Kreuzung, und wie immer fasste Daniel instinktiv Trixies Hand fester. Aber sie entzog ihm ihre Hand, machte einen Schritt von ihm weg und schaute aufmerksam nach links und rechts, ehe sie allein über die Straße ging.
    Es war ein Haarriss, einer, den man vielleicht nicht mal bemerkt hätte, wenn er nicht immer breiter geworden wäre, bis zwischen ihnen ein Abgrund klaffte. Dabei war es ja normal, dass ein Kind erwachsen wurde. Aber warum war den Eltern so schwer ums Herz, wenn es passierte?
    Diesmal hatte Trixie keine belebte Straße allein überquert, sondern ein ganzes Land. Sie stand in einer viel zu weiten Jacke vor Daniel, eine Wollmütze auf dem Kopf. Neben ihr war ein Yupik-Junge, dem ständig die Haare in die Augen fielen.
    Daniel wusste nicht, was ihn mehr schockierte: ein Mädchen zu sehen, dass er auf den Schultern getragen und abends ins Bett gebracht hatte, und sich zu fragen, ob sie einen Mord begangen hatte, oder die Erkenntnis, dass er sich für den Rest seines Lebens mit Trixie in der Wildnis Alaskas verstecken würde, wenn das die einzige Möglichkeit war, sie vor dem Gefängnis zu bewahren.
    Â»Daddy …?« Trixie warf sich in seine Arme.
    Daniel spürte, wie es ihm kalt den Rücken hinunterlief. Das war Erleichterung, und im Grunde war der Unterschied zu Angst gar nicht so groß. »Du da«, sagte er zu dem Jungen, der etwas abseits stand und sie argwöhnisch beobachtete. »Wie heißt du?«
    Â»Willie Moses.«
    Â»Leihst du mir deinen Pick-up?« Daniel warf ihm den Schlüssel für das Snowmobil zu, ein Tauschhandel.
    Der Junge sah Trixie an, als wollte er etwas sagen, doch dann senkte er den Blick und ging zu dem Snowmobil. Daniel hörte das Löwengebrüll der Maschine und das helle Jaulen, als sie davonbrauste. Dann führte er Trixie zu dem Pick-up. Wie die meisten Fahrzeuge in Alaska würde auch dieses überall anders unverzüglich aus dem Verkehr gezogen. Das Trittbrett an beiden Türen war durchgerostet, die Tachonadel klemmte, und der erste Gang tat’s überhaupt nicht. Aber das Innenlicht funktionierte, und Daniel nahm seine Tochter genauer in Augenschein.
    Abgesehen von den dunklen Ringen unter den Augen schien sie wohlauf. Daniel zog ihr die Wollmütze vom Kopf, und eine glänzende Kappe aus schwarzem Haar kam zum Vorschein. »Ach ja«, sagte sie, als er große Augen machte. »Das hab ich ganz vergessen.«
    Daniel rutschte über die Bank und zog sie in die Arme. Gott, endlich war sein Kind
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