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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
Autoren: Rosa Villas
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nicht. Es fällt mir schwer einzugestehen, dass
ich es nicht bin. Meine Beziehung ist schwierig. Sehr schwierig.“ Sie
verstummt.
    „Wie schwierig?“ Ja, ich weiß… meine Fragen.
    „Ich weiß es nicht. Ich habe sehr oft das Gefühl, nicht
dazuzugehören. Die Kinder nehmen von mir, was sie bekommen, aber sie geben
nichts zurück. Mein Partner übrigens auch.
    Er ist nicht in der Lage, zu mir zu stehen und mich zu
heiraten. Mit einem Bein steckt er noch in der Beziehung mit seiner Frau. Ich
bin nur die Geduldete.“
    „Passt du dich seinem Tempo an, obwohl es deinen Füßen nicht
gut tut?“
    Sie denkt nach. „Vermutlich tue ich das. Sicher tue ich
das!“
    Chantalle ist 1700 km zu Fuß gegangen. Die meiste Zeit mit
einem Begleiter, der ihr viel zu schnell ging. Ihre wunden Füße habe ich schon
vor 200 km gesehen und mir kamen die Tränen. Aber nun kommen ihr die Tränen.
Sie bricht direkt neben mir zusammen und heult ohne Unterlass. Ich halte sie in
meinen Armen und habe das Gefühl, dass es ihr unangenehm ist. Das ist mir jetzt
aber vollkommen wurscht. Hier sitzt mein Spiegel. Das kenne ich nur allzu gut.
Immer nur stark sein, immer aushalten bis es nicht mehr geht und dann noch
weiter.
    Ich halte sie fest und wehre andere Pilger, die neugierig
herkommen, ab: „Diese Frau ist 1700 km gepilgert und jetzt einfach fertig.
Lasst sie in Ruhe.“
    Irgendwann hat sie ausgeheult, putzt sich die Nase und
öffnet eine neue Flasche Wein. Während wir diesen trinken, tauschen wir unsere
verrückten Pilgererlebnisse aus und lachen darüber wie alte Freundinnen. Echt!
Chantalle, du altes Mädchen, ich wünsche dir nur das Allerbeste!
    Spät am Abend, als die Flasche leer ist, verabschieden wir
uns ziemlich sturzbetrunken voneinander, mit ehrlichen Umarmungen. Dann
klettere ich in mein Bett und versuche zu schlafen.
    Ich versuche es, aber es gelingt mir nicht. Ich habe das
Running-feet-syndrom. Ich kann sie um’s Verrecken nicht still halten. Sie
wollen immer rennen. Gestern Abend hatte ich das schon, aber noch nicht so
stark. Na prost Mahlzeit. Ich versuche mit autogenem Training, meine Beine zu
entspannen, damit sie ruhig liegen bleiben. Aber ich habe keine Chance. Der
Drang sich zu bewegen ist so stark, dass ich dem keinen Einhalt gebieten kann.
Meine Beine haben die Herrschaft über meinen Willen übernommen.
    Irgendwann gebe ich auf und lass die Beine einfach rennen.
Sollen sie doch weiter laufen. Mir doch egal ich bin jetzt müde. Meine Beine
rennen vor sich hin und mein Hirn dämmert weg. Bis der erste SC Schnarchhausen
mit dem Training beginnt.
    Echt. Die drei Weiber, mit denen ich das Kabuff teile,
schnarchen schlimmer als der ganze Schlafsaal im Kloster in Samos. So etwas
habe ich noch nie gehört. Alle drei! In unterschiedlicher Tonlage, aber in
einer Lautstärke, dass es nicht zu glauben ist.
    Jeder, der den Jakobsweg gewandelt ist, hat Erfahrungen mit
Schnarchern gesammelt und ich sage euch trotzdem: Das ist nichts im Vergleich
mit den drei Damen hier!
    Vollkommener Wahnsinn!
    Ich habe fast eine Flasche Wein im Blut und originale
DTM-Racing-Ohrstöpsel im Ohr und mache kein Auge zu. Selbst meine Beine sind
inzwischen ruhig geworden. Trotzdem ist an Schlaf nicht zu denken. Wahnsinn.
    Irgendwann wird es Zeit aufzustehen. Mein Rückflug geht
ziemlich früh am Morgen und noch in der Dunkelheit wandere ich mit ein paar
anderen Pilgern zum Busbahnhof, der uns zum Flughafen bringt.
    Bye bye Jakobsweg, bye bye Feld der Sterne, ich bin sehr
gerne auf dir gewandelt und danke dir für alles, was du mir gezeigt hast.
    Wieder Zuhause freue ich mich so richtig und von Herzen
über mein schönes Heim und meine wundervollen Kinder. Was hab ich es schön
hier! Dann widme ich mich den ganzen Tag meinen Kindern und erzähle ihnen meine
Abenteuer vom Jakobsweg. Meine Mädels möchten das nächste Mal unbedingt
mitkommen.
    Ich freue mich über meine Küche, mein Bad, meine Kleider und
Schuhe, schlüpfe sofort in die nächstbesten Higheels, um zu spüren, wie das
Leben auch noch sein kann. Am Abend plumpse ich in mein Wasserbett und freue
mich über die Freude meines Körpers, der sofort entspannt liegen bleibt und in
einen tiefen, erholsamen Schlaf hinüber gleitet. Am Anderen Morgen stehe ich
auf die Waage und muss jetzt glauben, was ich sehe: ich habe tatsächlich
2 kg zugenommen.
    Furztrockene Bocadillos mit 3 Scheiben Käse und sonst nichts
müssen wahnsinnig viele Kalorien haben.

Eine Woche später
in Cornwall
    Als junge
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