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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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Bitte!«
    Der Wind riß den Schrei von ihren Lippen und trieb ihn zurück in die Schwärze des Waldes.

    l
    Die Ausstellung der Gemälde von Erich Krueger, dem neuentdeckten Künstler aus dem Mittelwesten, war offensichtlich ein sensationeller Erfolg. Der Empfang für Kritiker und andere geladene Gäste begann um vier, doch angelockt von ›Erinnerung an Caroline‹, dem großartigen Ölbild im Fenster, waren Neugierige schon durch die Galerie gestreift.
    Jenny widmete sich geschickt einem Kritiker nach dem anderen und stellte den Maler vor, wechselte einige Worte mit Sammlern, achtete darauf, daß die Kellner die Häppchen herumreichten und Sekt nachschenkten.
    Vom frühen Morgen an war alles schiefgelaufen. Erst wollte die sonst so fügsame Beth partout nicht zur Kindertagesstätte, nachdem schon Tina, die mit zwei Jahren Backenzähne bekam, nachts ständig mit Geschrei aufgewacht war. Dann hatte der Schneesturm vom Neujahrstag New York in einen Alptraum steckengebliebener Autos und matschiger, dreckiger Schneehaufen auf den Randsteinen verwandelt. Als sie die Kinder in der Tagesstätte hatte, war sie eine Stunde zu spät dran. Mr. Hartley war entsprechend außer sich.
    »Nichts klappt mehr, Jenny. Nichts ist fertig. Ich warne Sie. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann.«
    »Tut mir schrecklich leid.« Sie hängte hastig ihren Mantel in den Wandschrank. »Wann kommt Krueger?«
    »Gegen eins. Und drei der Bilder sind erst vor ein paar Minuten gebracht worden, ob Sie’s glauben oder nicht!«
    Jenny hatte immer den Eindruck, daß sich der kleine, etwa sechzigjährige Herr wie ein Siebenjähriger aufführte, wenn er die Fassung verlor. »Jetzt sind doch aber alle da, oder?« fragte sie besänftigend.
    »Ja, ja, aber als Krueger gestern abend anrief, habe ich ihn gefragt, ob er die drei letzten geschickt hätte. Er war furchtbar wütend, weil er fürchtete, sie seien verlorengegangen. Und er besteht darauf, daß das von seiner Mutter ins Fenster kommt, obgleich es nicht verkäuflich ist. Ich sage Ihnen eines, Jenny: Es ist, als hätten Sie für das Bild Modell gesessen.«
    »Hab’ ich leider nicht.« Jenny widerstand dem Impuls, Hartley die Schulter zu tätscheln. »Da nun alles da ist —
    wollen wir nicht die Bilder fertig hängen?«
    Geschickt machte sie sich ans Verteilen, gruppierte die Ölbilder, die Aquarelle, die Federzeichnungen, die Kohlezeichnungen.
    »Sie haben ein gutes Auge, Jenny«, sagte Hartley, sichtlich besser gelaunt, als das letzte Werk hing. »Ich wußte, daß wir es schaffen.«
    Natürlich! dachte sie und versuchte, nicht zu seufzen.
    Die Galerie öffnete um elf. Um fünf vor elf stand das auf den Plakaten reproduzierte Bild im Fenster, daneben in stilvoller, klarer Schrift eine samtgerahmte Ankündigung: Erich Krueger. Zum erstenmal in New York. Das Gemälde erregte sofort die Aufmerksamkeit der Passanten auf der 57. Straße. Jenny beobachtete von ihrem Schreibtisch, wie die Leute stehenblieben, um es zu betrachten. Viele kamen auch herein und sahen sich die Ausstellung an, und oft fiel die Frage: »Sind Sie das auf dem Bild im Fenster?«
    Jenny verteilte Faltblätter mit Erich Kruegers Biographie:
    »Krueger, vor zwei Jahren mit einem Schlag in der Kunstwelt bekannt geworden, lebt in Granite Place, Minnesota, und hat seit seinem 15. Lebensjahr gemalt, aus Berufung, wie er erklärt. Sein Heim ist eine Farm, die schon in der vierten Generation im Besitz der Familie ist.
    Er züchtet dort preisgekrönte Rinder. Er ist auch Vorstandsvorsitzender der Krueger-Kalkwerke. Ein Kunsthändler aus Minneapolis entdeckte sein Talent.
    Krueger hat seither in Minneapolis, Chicago, Washington und San Francisco ausgestellt. Er ist 34 Jahre alt und Junggeselle.«
    Jenny betrachtete sein Foto auf dem Umschlag. Und er sieht fabelhaft aus, dachte sie.
    Um halb zwölf kam Hartley zu ihr. Sein gehetzter Gesichtsausdruck war beinahe verschwunden. »Alles okay?«
    »Bestens«, beruhigte sie ihn und kam gleich seiner nächsten Frage zuvor: »Mit dem Party-Service geht alles in Ordnung. Und von der Times, vom New Yorker, von Newsweek, Time und Art News kommt bestimmt jemand.
    Wir werden mindestens acht Kritiker beim Empfang haben, und zusammen mit denen ohne Einladung kommen sicher an die hundert Leute. Wir schließen um drei für das allgemeine Publikum. Dann haben die Leute vom Party-Service reichlich Zeit, um alles herzurichten.«
    »Sie sind ein tüchtiges Mädchen, Jenny.« Jetzt, wo alles geregelt
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