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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne
Autoren: John Harvey
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  …«
    Er hörte auf zu reden und sah Helen an, als wollte er ihren Gesichtsausdruck abschätzen.
    »Nach ’ner Weile hab ich angefangen, sie zu befummeln, wissen Sie   … nur außen, nicht unter den Kleidern, aber sie hat meine Hand weggestoßen und is aufgesprungen und wollte wegrennen, also hab ich sie gepackt und da hat sie mir eine geknallt. Hat richtig ausgeholt, ja, und mir auf den Mund geschlagen, dass ich das Blut geschmeckt hab, ich hab’s ausgespuckt und sie blöde Kuh genannt, sie is weggerannt und ich hinterher und da is sie gefallen. Voll auf so einen Felsen. Ich hab’s richtig gehört. Trotz dem beschissenen Nebel. Knall. Voll mit dem Kopf auf ’n Felsen. Es war scheußlich, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Rannte erst los, knallte voll auf ’n Arsch, hab mir am Knöchel und am Bein wehgetan und bin schließlich zurückgekrochen. Hab sie auch gefunden. Sie hat nicht geatmet. Da hab ich die Panik gekriegt. Weil, ich hab nämlich gedacht, keiner glaubt mir   … keiner glaubt, dass es so passiert ist. Dann binich losgekrochen und hab den Boden abgetastet. Nicht weit weg hab ich ’ne Art Öffnung gefunden, wo ganz viel Blätter und so ’n Scheiß drin lagen. Da hab ich sie hingezogen und bedeckt, so gut es ging. Ich weiß, das war nicht richtig, jetzt weiß ich das   …«
    Mit zitternden Fingern zündete er sich noch eine Zigarette an.
    »In der nächsten Nacht bin ich da wieder hin, hab mich aus’m Zelt geschlichen, hab nicht geglaubt, dass ich sie finde, aber ich hab’s geschafft. Sie war ganz kalt. Wie eine Statue. Schien alles gar nicht wirklich zu sein, wissen Sie. Ich hab sie aufgehoben und getragen, sie war ganz leicht. Hab sie zu diesem Turm getragen, diesem Maschinenteil oder wie das heißt. Da hab ich ’n Stein runtergeworfen, das war so tief, ich hab gar nicht gehört, wie er angekommen ist. Ich dachte, wenn ich sie da nach unten schubse, erfährt das nie jemand. Keiner kann sagen, dass die ganze Sache was mit mir zu tun hatte. Mal abgesehen davon, dass ich die beiden da draußen allein gelassen habe. Und sie war sowieso schon tot. Hat ihr also gar nicht wehgetan, oder? Stimmt doch?«
    Zum ersten Mal sah Helen weg.
    »Sie haben nicht gemerkt, dass die Leiche auf einem Vorsprung gelandet war?«, fragte Cordon.
    »Ich hab gemerkt, dass sie irgendwo draufgeknallt ist, klar. Hab aber gedacht, sie is’ da abgeprallt und weiter nach unten geflogen.« Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Is’ ja klar, dass ich nicht weiter nachgeforscht hab, was genau passiert ist, oder?«
     
    Jemand schien etwas gegen den Geruch im Treppenhaus unternommen zu haben, Helen wusste nicht, was. Als Alan Efford die Tür öffnete, zunächst nur einen Spalt, sah er erheblich besser aus als das letzte Mal; zwar war er immernoch unrasiert und seine Sachen waren auch immer noch zerknittert, aber er war munterer, meinte Helen, wacher, als wollte er in die Welt zurückkehren.
    Umso besser.
    »Hallo«, sagte Efford fröhlich. »Hab nicht erwartet, Sie so bald wiederzusehen.«
    Er bat sie herein, bot ihr einen Tee an, den sie ablehnte, und hörte mit wachsender Besorgnis, was sie zu sagen hatte.
    »Und wo is’ er jetzt?«, fragte er, als sie fertig war.
    »Auf der Wache in der Hornsey Road. Er macht eine Aussage.«
    »Ich sollte da hin.«
    »Ja. Das würde ihn sicher freuen.«
    »Da bin ich mir gar nicht so sicher. Aber ich geh trotzdem.« Er hob eine Jacke vom Boden auf und beugte sich hinunter, um seine Schuhe zuzubinden. »Und Sie?«
    »Nein, ich bin hier fertig. Ich fahre zurück. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben.«
    »Ja, gut. Danke.« Er schüttelte den Kopf, nur das eine Mal. »Dieser blöde Kerl!«
    »Er ist in Panik geraten. Er war doch noch ein Junge.«
    »Aber das is’ keine Entschuldigung, oder?«
    »Könnte eine sein.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wenn die Beweise mit seiner Geschichte übereinstimmen   – und das tun sie alles in allem, wenn ich mich richtig erinnere   –, nun, dann war es nicht böswillig, kein vorsätzlicher Mord. Denkbar wäre höchstens eine Anklage wegen Totschlags: Kam das Mädchen ums Leben, weil es in Todesangst weggerannt ist?«
    Efford ließ sie nicht aus den Augen, saugte jedes ihrer Worte begierig auf.
    »Nein, ich würde sagen, die einzige Straftat, die vor GerichtBestand hat, ist das vorsätzliche Entfernen und Verstecken der Leiche.«
    »Würde er dafür ins Gefängnis kommen?«
    »Weil er eine Leiche aus dem Weg geschafft und so den
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