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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne
Autoren: John Harvey
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»Keine der Pflanzen ist eingegangen.«
    »Sie haben aber nicht den Meilenstand geprüft oder dergleichen?«
    »Um Himmels willen, nein! Aber warum ist das eigentlich so wichtig? Hat es einen Unfall gegeben oder so etwas?«
    »Nein, das nicht gerade. Kein Unfall.«
    »Und Sie wollen mir nicht sagen, was es ist?«
    Ellie schüttelte den Kopf. »Nicht im Augenblick.«
    »Vielleicht später? Ein anderes Mal?«
    »Vielleicht.«
    »Bei einem Abendessen?«
    Ellie lachte. »Ich muss telefonieren.«
    »Nur zu.« Er stand schnell auf. »Ich gehe nach unten, damit Sie Ruhe haben.«
    Als Ellie ihm etliche Minuten später nach unten folgte, füllte er gerade eine breiige Mischung in eine gelbe Schale.
    »Die Schlüssel, die Sie Pierce gegeben haben«, sagte sie, »könnten sie ihm auch Zugang zu einem anderen Ort verschafft haben?«
    »Nein, nur zum Auto und zum Haus.«
    »Es gibt keine anderen Schlüssel, die irgendwo hängen?«
    »Doch. Ja, natürlich.«
    Sie folgte ihm wieder nach oben. Hinter dem Platz, wo Ellie gesessen hatte, hing ein Brett an der Wand. Und an mit Plastik überzogenen Haken hingen mehrere beschriftete Schlüsselbunde.
    »Alle da«, sagte Walters. »Alle da, außer   … außer dass dieser an den falschen Haken zurückgehängt wurde.«
    »Sind Sie sicher?«
    Er gab ein kurzes selbstironisches Lachen von sich. »Jemand, der so pathologisch ordnungsbedürftig ist wie ich   … Ja, ich bin ganz sicher.«
    Er könnte sie genommen und zurückgehängt haben, dachte Ellie, er hätte sie nachmachen lassen können. »Was sind das für Schlüssel?«
    »Zu dem Haus eines Auftraggebers. In Pymoor, direkt beiLittle Downham. Es ist halb fertig, aber ihm ist das Geld ausgegangen.« Er zuckte die Achseln. »Das passiert dieser Tage häufiger, als Sie vielleicht denken.«
    »Können Sie es mir auf einer Karte zeigen?«, sagte Ellie und versuchte, nicht aufgeregt zu klingen, was ihr aber nicht ganz gelang.

73
     
    Das Haus, das Bernard Walters entworfen hatte, stand auf einem Grundstück, das ein wenig vom Zentrum des Dorfes entfernt war; der Weg führte an der Methodistenkirche vorbei und eine schmale Straße entlang, die von hohen Pappeln beschirmt wurde. Die äußere Hülle des Hauses war errichtet worden, das Erdgeschoss so gut wie fertig, eine Mischung aus Porenbeton und Backstein. Die Fenster allerdings waren mit Brettern vernagelt, und in den oberen Stockwerken flatterten dicke Plastikplanen lose an Brettern und Verstrebungen.
    Will und Helen saßen mit Ellie Chapin im ersten Wagen, Jim Straley und zwei weitere Beamte im Wagen dahinter. Zwei Straßen weiter stand für den Fall der Fälle ein Krankenwagen.
    Außer dem Wind in den Bäumen regte sich nichts.
    »Glaubst du, sie ist dort drin?«, fragte Helen.
    Will drehte sich auf seinem Sitz um. »Ellie, haben Sie die Schlüssel?«
    »Hier.«
    Will nahm sie in die Hand, dachte einen Augenblick nach und gab sie zurück. »Hat keinen Sinn, wenn wir alle auf einmal da reinstürmen. Wenn sie dort ist, würde sie das zu Tode erschrecken.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Wir sind direkt hinter Ihnen. Gehen Sie einfach los, bevor ich es mir anders überlege.«
    Mit einem breiten Lächeln stieg Ellie aus dem Wagen und ging langsam auf das Haus zu.
    »Du sentimentaler Kerl«, sagte Helen spöttisch und folgte Ellie.
    »Gute Menschenführung, könnte man sagen.«
    »Man könnte aber auch sagen, dass du darauf aus bist, ihr an die Wäsche zu gehen. Dankbarkeitsfick heißt das, glaube ich.«
    »Nicht, dass du so etwas kennst.«
    »Nicht in Bezug auf dich.«
    Inzwischen war Ellie an der Tür angelangt. Sie zögerte kurz, warf einen Blick zurück auf Will und Helen, steckte dann den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und war im nächsten Moment verschwunden.
    Im Inneren des Hauses war es schwarz, es herrschte fast vollkommene Dunkelheit, abgesehen von ein paar schmalen Streifen Licht, wo die Bretter vor den Fenstern nicht exakt aufeinanderstießen.
    »Beatrice?« Sie flüsterte den Namen einmal, zweimal, noch einmal.
    Drüben an der hinteren Wand rührte sich etwas.
    »Beatrice?«
    Inzwischen hatten sich Ellies Augen an die Dunkelheit gewöhnt.
    »Beatrice, bist du das?«
    Was immer unter den Decken lag, bewegte sich, fiel zurück, bewegte sich wieder.
    Ganz vorsichtig, um sie nicht unnötig zu erschrecken, ging Ellie hinüber und kniete sich hin. Unter der Decke, die sie sich über den Kopf gezogen hatte, sah ein verängstigtes Gesicht hervor, drehte sich zu ihr hin und verschwand
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