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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Christa Canetta
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nicht denken. Aber Joan war die Mutter, sie war eine unbescholtene Frau und hatte das alleinige Sorgerecht bekommen. Und damit hatte sie alle Rechte auf ihrer Seite.
    So musste er sich die Treffen mit Tatjana jedes Mal erkaufen. Waren seine Geschenke großzügig, gestattete sie eine längere Besuchszeit, fielen sie bescheiden aus, so wie heute, weil er keine Zeit für den Kauf anspruchsvoller Geschenke gehabt hatte, blieben ihm nur Minuten mit dem Kind. Und diese Minuten fanden auch noch im Beisein der Nanny im Hinterzimmer des Modesalons statt.
    »Lass uns doch nach drüben in den Park gehen, dort kann das Kind spielen und bekommt etwas von der Frühlingssonne mit«, hatte er vorgeschlagen, aber Joan hatte sofort protestiert.
    »Nein, David, wo denkst du hin? Ich kann das Geschäft nicht verlassen. Hier herrscht Katastrophenstimmung. Die neue Kollektion muss am Fünfundzwanzigsten heraus, da entscheiden Minuten über Verkaufserfolg oder Misserfolg.«
    Er hatte wenig Verständnis gezeigt, obwohl er im Geheimen zugeben musste, dass die Frau ihr Geschäft erfolgreich führte. Dann hatte er zehn Minuten mit Tatjana gespielt und versucht, ihr begreiflich zu machen, dass er ihr Vater sei, auch wenn sie ihn so selten sah. Es waren zehn peinliche Minuten im Beisein der Nanny gewesen, Minuten, in denen sich der weltberühmte, erfolgreiche Lord McClay in einen bittenden, beinahe hilflosen Mann verwandelt hatte.
    Er schenkte sich noch einen Whisky ein. Seine Gedanken verweilten bei Joan und Tatjana. Er hatte die junge Frau bei einer Filmproduktion in Edinburgh kennengelernt. Ein paar Kostüme mussten geändert werden, und sie kam einige Male zum Set. Ihre Jugend, ihre Natürlichkeit hatten ihn verzaubert. In all dem Staub der Kulissen, unter der Hitze der Scheinwerfer, zwischen den bis zur Unkenntlichkeit geschminkten Schauspielern war ihr Erscheinen für ihn wie saubere, klare Luft, in der er wieder atmen konnte.
    Aus einem kleinen Flirt wurde ein intimes Verhältnis. Joan war fünfzehn Jahre jünger als er; sie gab ihm von dem Glanz ihrer Jugend, er gab ihr vom Glanz seines Ruhms. Ihr glückliches Strahlen, wenn sie an seiner Seite bewundert wurde, war wie neu geschenktes Leben für ihn.
    Erst allmählich spürte er die Veränderung der Geliebten, die sich von einem natürlichen Mädchen in eine berechnende Frau verwandelte. Während sie in den ersten Jahren die wenigen Ferientage gemeinsam verbrachten, wurden die Zeiten der Zweisamkeit immer kürzer, und seit zwei Jahren sahen sie sich kaum noch. McClay fühlte sich benutzt, wenn er zu einem der Feste ihrer sogenannten Freunde gebeten wurde und seine Teilnahme zusagte, nur, um vorher ein paar Minuten mit Tatjana verbringen zu können. Joan liebte die Festivitäten des Jets Sets, bei denen die Reporter vor den Türen Schlange standen und jeder ihrer neuen Freunde behaupten konnte: »Der berühmte Filmproduzent Lord McClay verkehrt in unserem Hause.«
    McClay stand auf und stellte das leere Glas ab. Dann legte er zwei Holzscheite auf das Feuer und zog das Gitter vor den Kamin. ›Zeit zum Dinner‹, dachte er und freute sich auf die Speisen, die Sophie in der Küche zauberte. Viel zu selten kam er in den Genuss ihrer Kochkünste. Er vergaß den Ärger der letzten Stunden und dachte nur noch an die kurze Freizeit, die er hier genießen würde. Dass sie nicht ungestört werden würde, dafür sorgte sein Sekretär, der bereits Akten, Daten und Unterschriftenmappen vorausgeschickt hatte. Dennoch, das gemütliche ›Lone House‹, die Pirsch durch die Wälder, die Ritte in das wilde Vorgebirge des Black Law – alles wollte er unternehmen, alles auskosten, was seine Heimat ihm bot.
    ›Hoffentlich hört der Regen bald auf, sonst sind die Wege verschlammt und Lancelot findet keinen Tritt in den Bergen.‹ Er dachte kurz an den Hengst, den er heute noch nicht begrüßt hatte, und dann fiel ihm die junge Frau wieder ein, die er vor mehr als drei Stunden aus dem versinkenden Landrover gezerrt hatte. ›Ich muss mich bei ihr sehen lassen‹, dachte er und klingelte nach dem Butler, um zu erfahren, in welchem der Gästezimmer Hanna die Fremde untergebracht hatte.
    Mary lag still in dem fremden Bett, in dem fremden Zimmer, in dem fremden Haus in dieser unbekannten Gegend. Sie lag ganz still, denn sobald sie den Kopf bewegte, drehte sich der Raum, und ihr wurde übel. Aber ihre Augen wanderten, und was sie sah, gefiel ihr. Das Zimmer war im Landhausstil eingerichtet, es verkörperte
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