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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Christa Canetta
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Arbeit machen, die ich nun nicht erledigen kann. Ich verliere meine Stellung, wenn das nicht klappt.«
    »Na, das ist doch mal anständig. Seine Lordschaft ist schon ein toller Typ, das muss einmal gesagt werden.«

IV
    Doktor Grantino arbeitete präzise und rasch. Die beiden Assistenzärzte sahen ihm zu. Sie bewunderten den Brasilianer, dem sie am Operationstisch gegenüberstanden. Die Zusammenarbeit in ihrem Team war vorbildlich. Grantino, dem weder die Hitze unter dem OP-Scheinwerfer noch die Tatsache, dass es seine fünfte Operation an diesem Tag war, etwas auszumachen schienen, die OP-Schwester, die jeden Handgriff des Chefs im Voraus zu wissen schien, Stefanie, die kleine Hilfsschwester, die nur dazu da war, Grantino den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, der Anästhesist und die beiden Assistenzärzte, sie alle arbeiteten seit vier Monaten zusammen und hatten sich zu achten gelernt.
    Vor allem Schwester Stefanie liebte die Arbeit an der Seite des großen Mannes mit der olivfarbenen Haut, und oft genug hoffte sie, dass aus dieser Zusammenarbeit einmal etwas anderes, etwas mehr werden könnte. Die kurzen Augenblicke hier im OP – und dann, danach? Nichts, nur das Warten auf die nächste OP. Sie seufzte so laut, dass Grantino sich erschrocken umsah. »Was ist los, Schwester?«
    »Nichts, Doktor, die Luft hier drin ... Ich glaube, der Ventilator streikt schon wieder«, stotterte sie beschämt und nahm ein frisches Tuch, um ihm den Schweiß von der Stirn zu wischen, bevor er den Arzt bei der Arbeit behindern konnte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Stirn zu erreichen, und Grantino beugte sich für einen Augenblick zu ihr herunter. Seine Augen lachten sie an und sagten Danke.
    Schon zum zweiten Mal in dieser Woche versagte der Ventilator im OP ›So etwas darf einfach nicht passieren, ich muss mit dem Professor sprechen‹, nahm sich Grantino vor.
    ›In Brasilien – ach was‹, dachte er, ›ich darf einfach nicht so oft an Brasilien denken‹, rief er sich zur Ordnung, ›nicht während einer Operation.‹ Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Wortlos reichte ihm die Schwester die Instrumente, es war fast, als bestimme sie das Tempo der Arbeit. Grantino streifte sie mit einem kurzen Blick. Sie sah müde aus, genau wie er, genau wie sie alle an diesem späten Nachmittag. ›Aufpassen, keine Fehler machen‹, rief er sich im Stillen zu, ›eine Magenoperation wird schnell zur Routinesache, und dann wird sie schlecht.‹
    Ein paar Worte hin und her, die Arbeit ging weiter.
    Dreißig Minuten später war die Operation beendet. Die Hilfsschwester half ihm aus dem Kittel und nahm ihm Mundschutz und Kopfbedeckung ab. Sie lächelte, als er sich bedankte. »Was war das vorhin, dieser Seufzer, Schwester Stefanie?«
    »Wirklich nichts, Doktor, ich war in Gedanken und dann die Hitze, entschuldigen Sie.«
    »Es klang viel zu traurig für eine so junge Frau.«
    »Vielleicht waren es traurige Gedanken, Doktor.«
    »Dann müssen wir etwas dagegen unternehmen. Trinken Sie einen Tee mit mir in der Kantine?«
    »Schrecklich gern, aber ich bekäme Schwierigkeiten mit der Oberschwester.«
    »Dann müssen wir uns zu einem Tee ohne Oberschwester treffen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie einmal frei haben, ja?«
    Gleich darauf war er fort. Stefanie lächelte: So war er immer, freundlich, kameradschaftlich, aber nie mehr, nie passierte etwas anderes ...
    Grantino verließ den OP-Trakt. ›Nette Frau‹, dachte er noch flüchtig, dann ging er eilig den langen Korridor hinunter. ›Wenn ich einmal Zeit habe, führe ich sie aus, vielleicht ins ›Imperium‹ am Firth, da war sie bestimmt noch nicht. Aber Zeit, wann habe ich schon einmal Zeit?‹
    Er ging schnell weiter. ›Kein Mensch hat hier Zeit, Arbeit wird großgeschrieben. Wohlstand und Ansehen, das sind die Komponenten, die zählen. In Brasilien, da hatte jeder Zeit, immer, aber hier?‹ Das fing bei dieser kleinen Lernschwester an, die abends noch Schauspielunterricht nahm, und endete beim Professor Lloyd, der von seiner Frau verlangte, dass sie als Laborantin bei seinen Forschungen half.
    Seine Schritte wurden lauter. Er ärgerte sich, sobald er an Lloyd dachte. Isabelle war so hinreißend jung, so zerbrechlich, warum hatte sie einen Mann geheiratet, der ihr Vater hätte sein können? Einen Mann, einen Fanatiker, der nur seine Klinik kannte, seine Forschungen und abends mit Büchern ins Bett ging statt mit seiner Frau, der seine Patienten
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