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Schoener Schlaf

Schoener Schlaf

Titel: Schoener Schlaf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt , Friedemann Grenz
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erzeugen, kam der ›Vermeer‹ noch für ein paar Tage bei kleiner Hitze in den Backofen und fertig war er!
    Sucher war durch Kants Anruf überrascht worden. »Ich brauche Ihre Hilfe in einem Mordfall«, hatte der Kommissar gesagt, ihn sonst aber im Unklaren gelassen.
    Es klopfte und seine Vorzimmerdame fragte, ob sie Kaffee und Kekse servieren solle.
    Sucher wusste es nicht. War es angebracht, einem Polizisten Kaffee und Kekse anzubieten?
    Â»Ich bring dann mal eine Kleinigkeit«, nahm ihm die Frau die Entscheidung ab.
    Wenig später betrat Hauptkommissar Kant das Büro. Er kam schnell zur Sache, legte Fotos von dem Kostüm, das die Tote getragen hatte, auf den Tisch und fragte: »Ich hoffe, Sie können mir helfen. Fällt Ihnen zu diesem Kleid etwas ein?«
    Sucher nahm ein Bild nach dem anderen, betrachtete ein jedes sorgfältig. »Sie sprachen von Mord. Was hat dieses Gewand damit zu tun?«
    Kant gab Sucher eine Kurzfassung der Ereignisse. Dem Direktor war die Geschichte neu – er las die Boulevardpresse nicht.
    Â»Barock«, sagte Dr.   Sucher. »Im 17.   Jahrhundert haben die Frauen solche Kleider getragen. Warten Sie, ich zeige es Ihnen!«
    Sucher ging zu einem Regal und holte ein Buch heraus, blätterte ein paar Seiten um und reichte es Kant.
    Â»Hier! Der Maler heißt Nicolaes Maes. Das Bild ist auf 1672 datiert. Achten Sie auf die Robe. Sie sieht fast so aus wie die auf Ihren Fotos. Die Dame in Rot heißt Maria Colve und die Kleine auf dem Arm ist ihre Tochter. Hübsch, nicht?«
    Kant musste dem Direktor der Kunsthalle recht geben. Das Kleid der Frau hatte ebenfalls ein eng anliegendes Oberteil mit weißem Unterkleid und aufgebauschten Ärmeln. Das Kind trug ein weißes Kleidchen. Der rechte Arm der Mutter war um das Kind gelegt, in der linken Hand hielt die Frau drei Früchte, Orangen oder Pfirsiche.
    Â»Es gibt viele Barockbilder, die Mutter und Kind zeigen«, erklärte Sucher. »Das war damals ein beliebtes Motiv.«
    Â»Die beiden wirken so lebendig«, fiel Kant auf. »Wie eine Fotografie, die eben erst gemacht worden ist. Sie schauen mich direkt an.«
    Â»Das ist eben die Kunst«, lächelte Sucher.
    Â»Was ist eigentlich Kunst?«
    Â»O je«, seufzte der Direktor. »An dieser Frage haben sich Philosophen, Theologen und andere Schlaumeier den Kopf zerbrochen. Was ist Kunst? Ihr Namensvetter Immanuel Kant hat in seinem Buch Kritik der Urteilskraft die Kunst durch eine dreifache negative Abgrenzung zu erklären versucht: Kunst ist kein Werk der Natur, kein Werk des Zufalls und kein Werk der Wissenschaft. Kunstwerke sind Artefakte, also vom Menschen in bestimmter Absicht hervorgebrachte Gebilde.«
    Â»Dies Gebilde hier hat jedenfalls was.«
    Â»Beachten Sie den Perlenschmuck. Die Mutter trägt Ohrringe und eine Halskette. Die Perle war damals eine Metapher für Schönheit, Glück und Ruhm«, erklärte Sucher.
    Â»Das Mädchen mit dem Perlenohrring«, murmelte Kant. »Das kenne sogar ich.«
    Â»Ja, der Perlenohrring«, lächelte Sucher. »Vermeer hat aber zum Glück noch weitere Bilder gemalt. Viel interessantere.«
    Â»Warum wohl hat der Mörder seinem Opfer ein Kleid aus dieser Zeit angezogen?«, überlegte Kant.
    Â»Vielleicht ist er Kunstliebhaber.« Sucher klappte das Buch wieder zu. »Oder nur verrückt. Oder jemand, der Frauen gern in schöne Kleider steckt, um sich daran zu weiden, wie das Blut frisch und warm in dem kostbaren Stoff versickert.«
    Kant musterte Sucher irritiert. »Sie überraschen mich, Herr Dr.   Sucher!«
    Â»Ich habe nur versucht, mich in den Mörder einzufühlen«, winkte der Direktor ab.
    Nachdenklich betrachtete der Kommissar sein Gegenüber.
    Â»Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, mich aufzusuchen?«, wollte Sucher wissen. »Unsere Sammlung ist nicht für Gemälde aus dem 17.   Jahrhundert bekannt. Wir haben zwar einige Werke ausgestellt, doch unser Schwerpunkt liegt bei den Expressionisten.«
    Â»Irgendwo musste ich ja anfangen«, meinte Kant. »Und in dieser Stadt sind Sie nun mal einer der Experten für Kunstgeschichte. Wissen Sie, die Tote hat nicht nur ein barockes Kleid getragen, sie hat sich auch auffällig für Gemälde aus dem Barock interessiert. Vielleicht hat sie ihren Mörder bei einem Museumsbesuch getroffen.«
    Â»Hier bei uns?«
    Â»Warum
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