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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt
Autoren: Aldous Huxley
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schwarz auf weißem Grund.
    »Denn natürlich«, sagte Päppler, »ist Fruchtbarkeit in der überwiegenden Zahl aller Fälle nur lästig. Ein fruchtbares Ovar von zwölfhundert - das würde für unsere Zwecke wirklich vollauf genügen. Aber wir wollen eben reiche Auswahl zur Verfügung haben, und selbstverständlich braucht man sicherheitshalber immer großen Spielraum. Daher lassen wir dreißig Prozent der weiblichen Embryos sich normal entwickeln. Die anderen erhaltenwährend des weiteren Umlaufs alle vierundzwanzig Meter eine Dosis männlichen Sexualhormons. Ergebnis: Sie werden in unfruchtbarem Zustand entkorkt, sind völlig normal gebaut, haben nur« - wie er zugeben mußte - »eine ganz, ganz schwache Neigung zu Bartwuchs, sind aber empfängnisfrei. Garantiert empfängnisfrei. Und damit gelangen wir endlich aus dem Bereich bloßer sklavischer Nachahmung der Natur auf das viel interessantere Gebiet menschlicher Erfindung.«
    Er rieb sich die Hände. Es war ja klar, daß man sich nicht damit begnügte, Leibesfrüchte einfach ausreifen zu lassen; das konnte jede Kuh.
    »Wir prädestinieren und normen auch. Wenn wir unsere Kleinlinge entkorken, haben sie bereits ihren festen Platz in der Gesellschaft, als Alphas oder Epsilons, als künftige Kanalreiniger oder künftige -« Er hatte »künftige Weltaufsichtsräte« sagen wollen, verbesserte sich aber und sagte »künftige Brutdirektoren«.
    Der BUND quittierte das Kompliment mit einem Lächeln.
    Sie kamen an Meter 320 von Regal 11 vorüber. Ein junger beta-minus Mechaniker arbeitete mit Schraubenzieher und - Schlüssel an der Blutsurrogatpumpe einer Flasche.
    Das Summen des Elektromotors wurde um Bruchteile eines Tons tiefer, als er die Muttern lockerte. Tiefer, tiefer... Ein letzter Ruck, ein Blick auf den Drehzahlmesser, und er war fertig. Er ging zwei Schritte weiter, die Reihe entlang, und begann die gleiche Arbeit an der nächsten Pumpe.
    »Verringerung der Umdrehungsgeschwindigkeit«, erklärte Päppler. »Das Blutsurrogat zirkuliert langsamer und fließt daher in längeren Abständen durch die Lunge, führt also dem Embryo weniger Sauerstoff zu. Es geht nichts über Sauerstoffverknappung, wenn man einen Embryo unter dem Durchschnitt halten will.« Wieder rieb er sich die Hände.
    »Ja, warum wollen Sie denn den Embryo unterdurchschnittlich halten?« fragte ein Student naiv.
    »Schafskopf!« Der Direktor brach sein langes Schweigen. »Ist Ihnen denn noch nie aufgefallen, daß ein Epsilonembryo auch eine Epsilonumwelt, nicht nur eine Epsilonerbmasse haben muß?«
    Offenbar war es dem Jungen noch nie aufgefallen. Er schämte sich.
    »Je niedriger die Kaste«, sagte Päppler, »desto weniger Sauerstoff.« Das erste davon betroffene Organ war das Gehirn. Dann kam das Knochengerüst dran. Verringerte man die normale Sauerstoffzufuhr um dreißig Prozent, erhielt man Zwerge, verringerte man sie weiter, augenlose Ungeheuer. »Die völlig nutzlos sind«, schloß Päppler.
    Dagegen - seine Stimme wurde vertraulich und eifrig wenn es gelänge, ein Verfahren zur Verkürzung der Wachstumsperiode zu entwickeln, welch ein Triumph, welch ein Segen für die Gesellschaft!
    »Denken Sie an das Pferd!«
    Sie dachten daran.
    Ausgewachsen mit sechs Jahren, der Elefant mit zehn.
    Der Mensch jedoch mit dreizehn noch nicht einmal geschlechtsreif, erst mit zwanzig wirklich ausgewachsen.
    Daher natürlich, als Frucht solch langsamer Entwicklung, die menschliche Intelligenz.
    »Aber Epsilons«, bemerkte Päppler sehr zu Recht, »brauchen keine Intelligenz.«
    Brauchten keine und bekamen auch keine. Der Verstand eines Epsilons war wohl mit zehn Jahren reif, der Körper aber erst mit achtzehn arbeitsfähig. Lange, überflüssige, vergeudete Jahre des Heranwachsens. Wenn man die körperliche Entwicklung beschleunigen könnte, bis sie der Wachstumsgeschwindigkeit einer Kuh entsprach, wie kolossal die Ersparnis für die Allgemeinheit!
    »Kolossal!« murmelten die Studenten, Päpplers Begeisterung war ansteckend.
    Er wurde wieder sachlich, sprach von der abnormen endokrinen Koordination, infolge deren die Menschen so langsam wuchsen, und schrieb dies einem Mutieren der Keimzellen zu. Konnte man den Folgen dieser germinalen Mutation entgegenwirken? Konnte man den Epsilonembryo durch ein geeignetes Verfahren so zurückentwickeln, daß seine Wachstumsgeschwindigkeit der eines Hundes oder einer Kuh entsprach? Das war die Frage. Nur die Lösung fehlte noch. Pilkington in Mombasa hatte Menschen
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