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Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Titel: Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s
Autoren: C Sievers
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Beute fest umklammert, nach Hause. Doch zu Hause würde man das Buch entdecken und sie ausfragen, sie brauchte ein Versteck.
    Vor der Haustür machte sie kehrt und durchstreifte stundenlang den Ort. Zog das öffentliche Toilettenhaus in Betracht, wo es warm war, wo aber der Albino Wache hielt, inspizierte das »Haus des Kurgastes«, das im Winter jedoch nur zwei Stunden geöffnet hatte, und entschied sich schließlich für den Heuboden des Bauern Klein. Hier roch es gut, und es war warm, sie baute sich ein Nest und begann zu lesen, bis die Dunkelheit anbrach. Das war um halb vier, viel zu früh, um aufzuhören, und sie beschloss, am nächsten Tag eine Kerze mitzubringen. Es kam auf einige Lichter mehr nicht an, zwölf Kerzen waren abgebrannt, seit Ute sie entzündete, wenn sie Onkel und Mutter spielten; der Pfarrer war außer sich.
    So verging der Winter, und Ute las. Brauchte lange für ihr erstes Buch und begann noch einmal von vorn, staunte angesichts der Welt, in der ihre Heldinnen lebten, mit Vater und Mutter, Sonntagsbraten und weichen Betten.
    Sie überstand die Vormittage auf dem Pausenhof, das Schubsen und Schreien, »Hasenscharte, Hasenscharte!«, weil sie an ihren Heuboden dachte und die Welt, die dort auf sie wartete, eine Welt, die ihr wirklicher erschien als die eigene.
    Allabendlich registrierte sie die Veränderungen, die mit Mariannes Körper vor sich gingen, und auch dem Onkel entgingen sie nicht. Er blieb jetzt lange, lag neben der schnarchenden Mutter auf der Bank, bis die Geräusche aus dem Mädchenzimmer verebbten, schlich zur Kinderzimmertür und trat ein, wagte nicht mehr, die Decke anzuheben, denn er fürchtete, dass der Schlaf eines heranwachsenden Mädchens leichter wäre, er wollte es nicht riskieren, hinausgeworfen zu werden.
    An guten Tagen schliefen die Kinder auf der Decke, die Beine gespreizt, an schlechten darunter. Dann hoffte der Onkel auf den nächsten Abend.
    Eines Morgens war Blut im Bett, das Ute, die immer früh erwachte, zuerst bemerkte. Sie rüttelte an Mariannes Schultern und zeigte ihr den Fleck. Die Quelle war schnell gefunden und Marianne nicht überrascht, sie hatte Freundinnen, denen das Gleiche passiert war. Nun war es an der Zeit, Ute aufzuklären und das geschah, nachdem Marianne sich gewaschen und ein paar Lagen Toilettenpapier in die Unterhosen gestopft hatte. Dann kehrte sie zurück ins Bett, es war Sonntag, und in die Kirche gingen sie nicht, nur wenn der Pfarrer es angeordnet hatte.
    Marianne begann mit der Anatomie des Onkels, die Ute vertraut war. Dann zeigte sie Ute ihr Loch, was auch nicht neu war, ebenso wenig wie die Erklärung, was wohin gehörte. Dass auf diesem Weg die Menschenkinder kämen, war jedoch neu, und plötzlich hatte Ute Fragen. Warum die Mutter und der Onkel keine Kinder hätten, denn sie wusste nicht, dass der Schoß der Mutter längst vertrocknet war von Bier, Tabletten und Kummer. Wem denn das Glied gehört hatte, das zu ihrer Zeugung geführt hatte, denn den Vater kannte sie nicht. Und ob sie selbst eines Tages gebären würde und ob ihr Kind, jetzt flüsterte sie, auch eine Hasenscharte haben würde.
    Marianne gab ausführlich Auskunft, die Mutter würde noch ein Kind bekommen, einen kleinen Onkel mit winzigem Glied, der Vater war verschwunden, als er Utes Hasenscharte bemerkt hatte und den sechsten Finger, und ja, alle Kinder, die Ute je bekäme, würden Hasenscharten haben und sechs Finger, mindestens. Sie wusste, mit ihren Antworten quälte sie die Schwester, und tief in ihrem Inneren fühlte sie Befriedigung, denn Ute hatte ihr den Vater genommen und nicht einmal sterben wollen, als es Zeit dafür war.

1976
    Als Marianne sechzehn war, beendete sie die Schule. Die Frau von der Fürsorge verhalf ihr zu einer Stelle als Kindermädchen in der Kreisstadt, fünfzig Kilometer nordöstlich, bei einer Familie, deren vierjährige Tochter sie Tag und Nacht betreuen sollte, da die Eltern ein Geschäft hatten und keine Zeit für ihr Kind.
    Mit Vierjährigen kannte sie sich aus und lernte ihren Schützling bald in der Technik an, die ihr allabendlich die gewohnte Befriedigung verschaffte.
    In ihr Dorf kehrte sie erst Jahre später zurück, erleichtert, einer Welt entkommen zu sein, in der es nach Fisch roch und ungewaschenen Körpern, nicht wissend, dass ihr selbst dieser Geruch für immer anhaftete.
    Am Tag, als Marianne abfuhr, trug sie Jeans, ein verblichenes T-Shirt und in der Hand eine Plastiktüte. Deren Inhalt ihr Leben: ein zerzauster
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