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Schock

Titel: Schock
Autoren: Hunter Evan
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a Sorrento und Tra Veglia e Sonno , Maria, Mari und schließlich Luna mezz' 'o Mare. Um ihn herum brandete Lachen auf, als ein alter Mann mit einem Walross-Schnauzbart den Text, so laut er konnte, mitzusingen begann. Zwei stämmige Männer an einem anderen Tisch fielen ein, und plötzlich dröhnte der ganze Saal. Der Gesang widerhallte von den Wänden, brandete auf Buddwing ein, der mit einem staubtrockenen Sandwich und einem Glas schalen Bieres allein an seinem Tisch saß.
    E la luna mezz' o mare : mamma mia me maritari Figghia mia a eu te ddari ?
Mamma mia penzaci tu.
    Si ti rugnu 'o pisciaolu,
iddu va, iddu veni,
sempe 'u pisci ne mani teni … Si ci pigghia 'a fantasia
ti pisciulia figghiuzza mia.
    Einen Tag vor ihrer Abreise nach Europa im letzten Sommer hatte sie ihm den goldenen Ring mit dem schwarzen Stein geschenkt. Er hatte sich die Innenseite des Ringes angesehen und gesagt: »›Von G.V.‹ Ist das alles?«
    »Das sind meine Initialen«, hatte sie erwidert. »Oder etwa nicht?«
    »Ja, aber sollte es nicht vielleicht heißen ›In Liebe – von G.V.‹?«
    Und sie hatte die Achseln gezuckt und gesagt: »Die Liebe versteht sich von selbst.«
    In Paris hatten sie zahlreiche Verabredungen – Geschäftsleute, die man treffen, mit denen man sprechen mußte; deshalb gab es zahllose Parties – zu Cocktails, zum Essen, um Mitternacht. Sie hatten, bevor sie abreisten, fleißig Französisch geübt und vor dem Abflug tagelang nur französisch gesprochen; Paris gab ihnen reichlich Gelegenheit, von ihren Sprachkenntnissen zu profitieren. Während der Fahrt durch Frankreich wurde es schon ein wenig schwieriger; das reine Französisch entartete in Dialekte, die kaum zu verstehen, geschweige denn zu sprechen waren. Aus dem Esso-Prospekt hatte er den Satz gelernt: Faites le plein, s'il vous plaît, et vérifiez l'huile et l'eau; doch der Satz beeindruckte nur ihn selber, und wenn von ihm verlangt wurde, den Tankwarten technische Fragen zu beantworten, war er völlig hilflos.
    An dem Tag, an dem sie in der französischen Kleinstadt – irgendwo an irgendeiner Straße – die römische Arena entdeckten, trug sie einen leichten karierten Mantel. Den ganzen Morgen hatte es geregnet; dann hatte der Regen plötzlich aufgehört. Es war ein kühler, düsterer Tag, der mehr an Oktober erinnerte als an August.
    »Im Oktober bin ich immer trübselig«, sagte sie.
    »Wir haben August«, sagte er.
    »Trotzdem«, erwiderte sie.
    Die Arena stand in keinem Reiseführer, auch hatten sie nicht im Entferntesten geahnt, daß die Römer so weit nach Frankreich eingedrungen sein konnten. Die Stadt selbst war ein Konglomerat von Dingen, die nicht zueinander passten. Auf den ersten Blick schien es eine typische französische Landstadt, doch in ihrer Mitte ragte unleugbar eine römische Arena; und gegenüber der Arena – das Schild vom oberen Rand des Zuschauerraums deutlich lesbar – gab es eine englische Teestube. Zu allem Überfluss war das Schild englisch beschriftet, in schwarzen Lettern auf weißem Feld: TEA ROOM; für einen Augenblick fühlte er sich um die Orientierung gebracht und fragte sich, wo er sich denn eigentlich befände: in Frankreich, Italien oder England.
    Um die verzwickte Geographie noch weiter zu verwirren, hatte Buddwing, als er über die Sitzreihen zum Spielfeld der Arena hinunterstieg, der Sand noch nass vom Vormittagsregen, das Gefühl, in ein amerikanisches Fußballstadion hinabzusteigen. Grace blieb auf einer der Steinbänke stehen, die Hände in den Taschen des karierten Mantels. Er sah sich um, schaute zu ihr hinauf, grinste und röhrte: »Rot-Weiß, Rot-Weiß, Rot-Weiß …«
    »Wie steht das Spiel?« fragte sie automatisch; doch ihre Gedanken schienen weit weg und ihre Augen sahen andere Dinge.
    An einem Samstag kamen sie in Mailand an und fanden um die Mittagszeit ihr Hotel. Auf den Straßen herrschte erbarmungslose Hitze, die Hotelhalle schien dagegen schattig und nahezu kühl. Der Portier nahm ihre Pässe, sah Grace dann überrascht an und sagte: »Credevo che fosse italiana.«
    »No«, erwiderte sie mit einem fremden Lächeln, »non sono italiana.«
    »Tutti in Italia la prendono per italiana«, sagte Buddwing.
    »Certo, che sembra una settentrionale«, erwiderte der Portier und läutete nach dem Pagen. Das Zimmer war hell und modern, mit großem Doppelbett, einer Spiegelwand und einem Marmorbad mit Dutzenden geheimnisvoller Hähne und Schläuche. Nur die Klimaanlage war nicht in Ordnung, und als
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