Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen
Autoren: Anja Abens
Vom Netzwerk:
Moment bitte«, sage ich deshalb und trete zurück in die Wohnung, um Miriam zu holen. Sie steht bereits in der Wohnzimmertür. Ich versichere ihr, dass es in Ordnung ist und ich schon aufpassen werde, dass die Polizisten sie nicht einfach mitnehmen. Miriam folgt mir an die Tür. Ich stelle mich so vor Miriam, dass die Polizisten sie nicht am Arm packen und mitnehmen können, bleibe aber freundlich. Sie fragen Miriam, wieso sie von zu Hause weggelaufen ist. Ich nicke Miriam zu, dass sie ruhig antworten soll. Ich antworte nicht für sie, wenn es nicht notwendig ist. Ich antworte auf Fragen an uns beide. Ich bin angespannt und aufgeregt und nervös, wobei ich nicht glaube, dass die beiden Beamten davon irgendwas merken. Miriam erzählt glaubhaft, warum sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten hat.
    »Können wir nicht mit meinen Eltern besprechen, wie es weitergehen soll?«, frage ich anschließend. »Meine Mutter hat doch mit Miriams Mutter schon telefoniert und es so verabredet.«
    Die Polizisten schauen sich an. »In Ordnung«, sagt der ältere dann, »aber nur, wenn ihr heute Nachmittag auf dem Revier erscheint und uns erklärt, wie es weitergehen soll, damit wir Miriams Eltern ausführlich Bescheid geben können.«
    Mann, da bin ich aber platt, dass das jetzt so locker geht. Wir machen vier Uhr aus. Erleichtert schließe ich die Tür und wir fallen uns um den Hals.
    Anja
    »Die Polizei war da!«, platzt Meike heraus, noch bevor ich meine Tasche abgestellt habe.
    »Was?«
    Die Mädchen erzählen mir, was sie gerade eben erlebt haben, und ich bin erstaunt. Ich hatte doch mit Miriams Mutter sehr ausführlich gesprochen, und sie selbst hatte mit Miriam geredet, um zu hören, ob es ihrer Tochter wirklich gut gehe. Miriam war allerdings sehr kurz angebunden, und mit ihrem Vater wollte sie keinesfalls reden. Ich hatte den Eltern unsere Adresse und Telefonnummer gegeben, damit sie sicher waren, dass alles seine Richtigkeit hat – und als Ergebnis schicken sie uns die Polizei vorbei. Im ersten Moment bin ich ziemlich aufgebracht und denke, was ist denn das für eine Kommunikation, aber dann überlege ich mir, dass ich selbst vielleicht auch auf Nummer sicher gegangen wäre. Auf jeden Fall bin ich stolz, wie die Mädchen die Situation gemeistert haben. Immerhin konnten sich die Polizisten überzeugen, dass es Miriam gut geht, und das war vermutlich, was die Beamten herausfinden wollten. Trotzdem bleibt das Hauptproblem bestehen: Miriam will nicht nach Hause. Aber sie kann auch nicht für immer bei uns bleiben. Schließlich telefoniere ich mit dem Jugendamt und frage, wie man sich nun am besten weiter verhält. Man vermittelt mich mit der für Miriam in Süddeutschland zuständigen Stelle. Und da erschließt sich für mich eine Welt zuständiger Kompetenz, wie ich sie hier bei uns zum Schluss mit Marvin gar nicht mehr erlebt habe. Ich schildere der Frau, wie groß Miriams Angst ist, allein auf ihre Eltern zu treffen. Sie versichert sich darüber auch noch bei Miriam selbst. Dann bittet sie um etwas Bedenkzeit, um zu sehen, wie die Situation am besten zu lösen sei. Sie müsse sich auch mit Miriams Eltern in Verbindung setzen. Als ich den Hörer auflege, bin ich erleichtert. Ich habe das Gefühl, das Problem in die Hände von jemandem gelegt zu haben, der verantwortungsvoll und umsichtig handelt, und das ist ein gutes Gefühl.
    Bei den Mädchen stoße ich nicht gleich auf Gegenliebe mit der ganzen Aktion, Miriam hat eine tiefe Angst vor der Rückkehr nach Hause und Meike steht natürlich hinter ihr. Aber dass sie nun zur Polizei gehen können mit der Nachricht, dass wir das Jugendamt eingeschaltet haben und mit der Rufnummer von Frau Liefen, so heißt die zuständige Dame, und dass so nun alles eine gewisse Ordnung hat, erfüllt sie mit etwas Zuversicht. Bei Miriam merkt man deutlich, dass es ihr sofort besser geht, wenn man sie in Entscheidungen einbezieht, wenn sie merkt, nichts geschieht über ihren Kopf hinweg, und ich denke, da wird wohl der Hund begraben sein bei ihr zu Hause.
    Ehe ich weiter darüber spekulieren kann, klingelt schon wieder das Telefon.
    Frau Liefen berichtet, dass Miriams Eltern ziemlich verärgert, um nicht zu sagen wütend sind darüber, dass das Jugendamt eingeschaltet wurde – vor allem Miriams Vater. Aber sie wollen eben auf jeden Fall, dass Miriam zurückkommt, und mit dieser Aussicht konnte Frau Liefen sie schließlich beschwichtigen. Sie hat den Eltern klargemacht, dass Miriam nicht nach Hause
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher