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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
Autoren: Georg Lehmacher
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der Rückfahrt zur Wache sind. Frank hatte den alten Mann allein auf sein Zimmer im Altenheim gebracht. Ich sitze nun wieder hinten und halte den »Leitfaden für den Sanitätsdienst« in der Hand, ein Buch mit schlecht gemachten zweifarbigen Abbildungen in Rot und Schwarz. Ich erkenne auf manchen Abbildungen überhaupt nicht, um was es geht. Nicht nur grafisch könnte man das sicher besser machen , denke ich mir. Frank fährt diesmal, er entsorgt gerade seine Zigarette durch das Fenster, Christian hat den Funkhörer in der Hand. Vermutlich will er durchgeben, dass wir in Kürze zurück sind. Er notiert etwas. Nach einer Weile sehe ich vorn die Fensterfront der grauweißen Wache und lege mich kurz davor instinktiv in die Kurve. Doch im nächsten Moment beschleunigt Frank den Wagen, und wir rauschen an der Einfahrt vorbei. Was ist los? Ein Einsatz? Das Martinshorn dringt laut ins Fahrzeuginnere.
    Ich würde am liebsten das Fenster aufschieben und nachfragen, stattdessen beuge ich mich im Sitz vor. Der schwerfällig wirkende Wagen zieht erstaunlich gut weg. Frank lenkt ihn auf die Gegenspur, um die Personenwagen vor uns zu überholen. Die Ortschaft ist zu Ende, mein Blick sucht die Tachoscheibe des Fahrtenschreibers … 60. 70. 80. 90 … Die entgegenkommenden Fahrzeuge pressen sich dicht an den Straßenrand. Der Hebel mit der Aufschrift » ALARM « steht schräg, die drei Leuchtdioden daneben sind hell: Okay, jetzt ist es wohl so weit. Doch noch ein »richtiger« Einsatz. Und ich habe nicht mal eine Ahnung, wo es hingeht.
    Endlich schiebt Christian die Trennscheibe zur Seite. Er sagt etwas zu mir, aber das Martinshorn verschluckt seine Worte. Plötzlich bremst der Wagen unerwartet stark ab, ich werde in meinem Sitz nach vorn geworfen. Im Schritttempo rollen wir weiter. Vor uns leuchten rote Ampeln.
    Wir passieren die Kreuzung. Danach setzt das Martinshorn für einen Moment aus. »Wir haben einen Notfall, ein Verkehrsunfall mit Fußgänger, irgendwo bei Derching«, klärt mich Christian auf. Und dann ruft er laut über das wieder heulende Martinshorn hinweg: »Bleib sitzen und schnall dich an!«
    Ich tue, was er sagt. Trotzdem kann ich sehen, dass uns in der nächsten Kurve, auf die wir mit hohem Tempo zusteuern, ein Lkw entgegenkommt. Und die Kurve führt auch noch über einen Hügel … Meine Finger krallen sich fest in die Armlehnen, ich presse mich so tief wie möglich in meinem Sitz. Dann sind wir auch schon an dem Lkw vorbei. Hinter der Kurve haben wir eine lange Strecke freie Fahrt. Bis wir uns der Unfallstelle nähern.
    Bedächtig rollt der Gegenverkehr über die Landstraße, manche Fahrzeuge haben die Warnblinker eingeschaltet. Neben einer Weggabelung steht ein Fahrradfahrer, der uns nach links winkt. Ein entgegenkommender Traktor hält an, und die blonde Fahrerin deutet ebenfalls aufgeregt in die Richtung. Ihr Gesicht ist wie erstarrt. Es wird nicht an der Winterkälte liegen. Ihr schreckerfüllter Blick lässt nichts Gutes erahnen.
    Kurz darauf taucht hinter einer Kurve ein Lkw am Straßenrand auf. Ein Polizist und ein etwa fünfzig Jahre alter Mann in Arbeitskleidung stehen daneben. Der Lkw-Fahrer – wie ich vermute – schüttelt immer wieder den Kopf. Dann fällt mein Blick auf ein altes graues Moped ein paar Meter weiter. Den Oberkörper eines alten Mannes neben dem Zweirad nehme ich im ersten Moment gar nicht wahr. Doch als wir nah heranfahren, erkenne ich auch die Beine des Mannes, die seltsam verbogen scheinen. »Abnorme Lage«, nennt Christian es.
    »39 Einsatz an. Schicken Sie uns den NAW !«, gibt Frank noch während der letzten Meter Fahrt durch. »33/39 mit Lagemeldung …?!«, höre ich den Funklautsprecher. Im nächsten Moment stoppt Frank am linken Straßenrand, und ich springe sofort heraus. Frank steigt ebenfalls aus, seine Augen funkeln. Und schon packt er mich am Kragen und brüllt: »Du Idiot, du hast beim Aussteigen überhaupt nicht auf den Verkehr geachtet, wenn du das noch mal machst, hau ich dir eine runter, verstanden? Du bleibst jetzt erst mal hier an der Seite stehen.«
    Das sitzt. Sicher, er hat recht, aber ich wollte doch nur …
    Zitternd stehe ich da, während die beiden mit dem Notfallkoffer bereits keine fünf Meter weiter vorn beim Patienten sind. Doch dann ruft Frank in meine Richtung: »Weißt du, wo der Absauger ist?«
    Absauger, Absauger … Ja klar, er hat mir das Ding heute früh gezeigt. Nach ein, zwei Versuchen schaffe ich es, das Teil im Wagen abzustecken und aus
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