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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Stefan Holtkötter
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gerne eine intimere Beziehung gehabt?«
    »Ähm … nein. Wieso auch?«
    »Auf dem Bullenball haben Sie das aber anders gesehen, nicht wahr?«
    Bertolt sah Hambrock erschrocken an.
    »Was ist dort passiert, Bertolt? Hat sie mit Ihnen geflirtet? Hat
sie Ihnen Hoffnungen gemacht, dass Sie ein Paar werden könnten?«
    Bertolts Augen weiteten sich bestürzt. Hambrock wusste jetzt, dass
er auf dem richtigen Weg war.
    »Sie hat mit Ihnen gespielt, habe ich recht? Und Sie dachten, dass
es ihr ernst wäre. Das muss eine große Demütigung für Sie gewesen sein, als Sie
erkannten, dass alles nur ein Spaß war.«
    Bertolt umklammerte die Stuhllehnen.
    »Ich … ich sage nichts mehr.«
    Hambrock beugte sich vor. »Bertolt, Sie müssen sich bewusst sein,
dass …«
    Die Küchentür öffnete sich. Alois Lütke-Brüning tauchte auf. Er
füllte mit seiner Statur den Türrahmen aus, wie gewohnt strahlte seine
Erscheinung Autorität aus.
    »Herr Lütke-Brüning, ich würde gern einen Moment lang allein mit Ihrem
Sohn …«
    Doch der Bauer achtete gar nicht auf Hambrock. Er fixierte Bertolt.
In seinem Blick lag ungewohnte Härte. »Sag es ihm.«
    »Papa …«
    »Du sollst es ihm sagen!« Es war ein klarer Befehl. »Ich habe dich
gesehen.«
    »Du hast …« In Bertolts
Stimme lag Entsetzen. »Aber wie …?«
    Der alte Bauer wandte sich an Hambrock.
    »Ich bin in der Mordnacht mit dem Fahrrad vom Kegeln nach Hause
gefahren. Da hab ich ihn gesehen. Er war an der Haltestelle. Sandra war
ebenfalls dort. Sie lag unter ihm und rührte sich nicht mehr.«
    »Papa …«
    »Er hat sie getötet. Mein Sohn ist ein Mörder. Jetzt wissen Sie es.«
Dann sank er auf die Küchenbank, als würde er von der Schwere des Gesagten
niedergedrückt.
    Bertolt starrte ihn ungläubig an. Es sah aus, als versuchte er noch
zu begreifen, dass sein Vater ihn gerade verraten hatte.
    »Bertolt …«, begann
Hambrock.
    »Ich war es nicht!«, rief er. »Ich habe sie nicht getötet. Ich hatte
versprochen, dass ich es mache. Aber als es so weit war, konnte ich es nicht.«
    Die Tür schlug auf. Ingeborg platzte herein. Sie war außer sich.
    »Klara ist weg!«, rief sie. »Sie ist allein nach Hause gegangen.
Ohne Lina.«
    »Verdammt!«
    Hambrock hätte nicht sagen können, ob dieser Fluch sich auf Klaras
Verschwinden bezog oder darauf, dass sie unterbrochen worden waren.
    »Lauf ihr hinterher«, sagte er.
    »Du musst mitkommen! Martin ist doch in der Nähe. Was, wenn er ihr
auflauert?«
    »Ingeborg, es ist wirklich kein günstiger Moment.«
    »Bitte! Du musst mitkommen!« Ihre Stimme überschlug sich. »Bernhard,
ich brauche deine Hilfe! Ich brauche dich!«
    Ingeborg war außer sich vor Sorge. Vernünftige Argumente würden sie
kaum erreichen.
    Seine Gedanken rasten. Was würde passieren, wenn er Ingeborg jetzt
wegschickte? Würde sie ihm das verzeihen? Würde sie sich wieder beruhigen, wenn
etwas Gras über die Sache gewachsen war? Doch noch viel drängender war die
Frage: Würde er nach all dem, was in den vergangenen Tagen passiert war, noch
in den Spiegel blicken können, wenn er sie jetzt im Stich ließ?
    Er wandte sich an Bertolt Lütke-Brüning.
    »Also gut«, sagte er und packte ihn an den Schultern. »Du hast eine
Minute Zeit, mir zu sagen, was tatsächlich geschehen ist.«
    Der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Sie atmete die
kalte Luft ein. Wie gut sich das anfühlte. Die Musik wurde leiser, je weiter
sie sich entfernte. Der Hof ihrer Mutter lag vor ihr in der Dunkelheit. Gleich
würde sie in ihrem Zimmer sein.
    Sie dachte an Jens. Es musste sich etwas ändern. Sie musste damit
aufhören, ihn mit ihrer Nähe zu vergiften. Da war ein Teil in ihr, der ihn
liebte. Es konnte doch nicht so schwer sein, ihm diesen Teil zu zeigen. Dann
würde er bestimmt gesund werden. Sie musste sich nur ein wenig Mühe geben.
    Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe fiel auf die Hofeinfahrt und auf
die aufgetürmten Schneeberge am Wegesrand. Sindbad begann in der Scheune zu
bellen. Ihre Mutter hatte ihn dort angekettet, bevor sie hinunter zu
Lütke-Brüning gegangen war.
    »Ich bin es nur, Sindbad!«
    Doch der Hund bellte weiter, noch lauter und noch aggressiver.
    Was war denn mit ihm los? Sie steuerte die Scheune an, um zu ihm zu
gehen, als sie ein Geräusch hörte. Hinter sich. Sie ließ den Lichtkegel der
Taschenlampe über den Schnee wandern, tastete Hof und Böschung ab. Doch es war
nirgends etwas zu sehen.
    »Hallo? Ist da jemand?«
    Keiner antwortete. Nur Sindbad bellte
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