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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Stefan Holtkötter
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Einzige, den Sandra nicht rangelassen hat.
Vielleicht hat er ihr das ja übel genommen und wollte sich an ihr rächen. Da
hätten Sie Ihr Motiv.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Na, was schon. Wir Jungs hatten einen Spitznamen für Sandra. Malle.
Weil jeder schon mal drauf war. Sie hat die Typen gewechselt wie ihre Hemden.«
    Na also, dachte Hambrock zufrieden. Besser hätte das Gespräch nicht
verlaufen können.
    »Wer war denn sonst noch mit ihr zusammen?«, fragte er.
    »Ach, vergessen Sie’s. War nur so ein dummer Spruch.«
    »Hatten Sie auch einmal ein Verhältnis mit Sandra Hahnenkamp?«
    »Ich? O Gott, nein. Das wollte ich auch nie. Aber wenn, dann hätte
ich sie bestimmt gekriegt.« Sein Lächeln gefror ein wenig. Es schien, als wäre
ihm plötzlich bewusst geworden, dass er über Dinge sprach, die er vielleicht
besser für sich behalten sollte. »Sonst noch was? Ich muss das Fass jetzt mal
rüberbringen. Die anderen verdursten sonst.«
    Hambrock versuchte es mit einem Frontalangriff.
    »Wie lange ist es her, dass Bertolt Lütke-Brüning versucht hat,
Sandra anzumachen?«
    Marc starrte ihn an. Sein Mund formte ein Wort, doch er sagte
nichts. Hambrock hatte ins Schwarze getroffen.
    »Dachten Sie, ich wüsste nichts davon?«, schob er hinterher.
    » Das wissen Sie? Wer hat Ihnen das
erzählt?«
    »Wieso sind Sie so überrascht?«
    »Da war nichts. Überhaupt nichts. Bertolt war besoffen, außerdem hat
er sich nachher entschuldigt.« Er blickte Hambrock feindselig an. »Das hat
Ihnen Christoph Ortmann erzählt, nicht wahr? Um seinen Kopf aus der Schlinge zu
ziehen. Natürlich, der muss es gewesen sein. Es war ja sonst keiner dabei auf
dem Bullenball. Wir waren nur zu dritt.«
    Der Bullenball war eine jährlich stattfindende Landjugendparty.
Früher einmal eine Art Heiratsmarkt für Landwirte, war der Ball inzwischen zu
einer Megaparty mit Livebands, Misswahlen und Rodeoreiten geworden. In seiner
Jugend war auch Hambrock jedes Jahr dort gewesen.
    »Dann schildern Sie mir doch Ihre Sichtweise«, sagte er. »Was ist denn
Ihrer Meinung nach auf dem Bullenball passiert, wenn es keine Bedeutung hatte?«
    »Ach, Bertolt. Der ist halt ein bisschen schwer von Begriff. Der hat
immer noch nicht verstanden, worum es da eigentlich geht. Am liebsten hätte er
sich ein Schild umgehängt, auf dem ›Achtzig Hektar‹ steht. Mit Seitenscheitel
am Eingang stehen und warten, dass sich eine für seinen Hof interessiert. So
war das natürlich nicht. Wir wollten Spaß haben. Wir haben gesoffen, getanzt,
was man halt so macht. Sandra haben wir dann beim Rodeoreiten getroffen. Wir
hatten Spaß und haben Witze gemacht. Vielleicht hat Bertolt sich Hoffnungen
gemacht, aber das war dann sein Problem. Mein Gott, da war nichts! Die haben
nicht mal miteinander geknutscht! Was hat Christoph Ihnen denn erzählt?«
    Die Tür zum Hof öffnete sich. Ein Luftzug fuhr in den Raum,
Hambrocks Kerzenlicht flackerte. Dann erschien der Lichtkegel einer
Taschenlampe, und Ingeborg trat herein.
    »Ach, Bernhard, da bist du! Hast du Klara gesehen?«
    »Nein. Sie muss bei Lina sein.«
    »Die finde ich auch nicht.« Sie wandte sich an Marc. »Hast du die
beiden vielleicht irgendwo gesehen?«
    »Nein. Keine Ahnung.«
    »Na, dann sehe ich mal auf dem Klo nach.«
    Sie drängte sich an den Bierfässern vorbei und verschwand im Gang,
der zum Wohnhaus führte.
    Marcs Tonfall wurde aggressiv. »Was ist jetzt? Darf ich wieder
zurück zur Party?«
    Hambrock betrachtete ihn nachdenklich. »Natürlich.«
    Marc rollte das Fass hinaus, donnerte dabei gegen das Türblatt, das
von einem Schneeberg blockiert wurde, und verschwand auf dem Hof. Hambrock
blieb allein im Vorraum zurück. Eine Windböe schlug die Tür zu und ließ die
Kerze verlöschen. Um ihn herum wurde es dunkel.

27
    Hambrock führte Bertolt Lütke-Brüning in die Küche, so wie
er es zuvor mit Christoph Ortmann getan hatte. Mit gewisser Befriedigung
stellte er fest, dass Bertolt nervös war. Er versuchte krampfhaft, sich nichts
anmerken zu lassen, doch sein linkes Auge begann zu zucken, und er fuhr sich
immer wieder mit der Hand durch seinen feuerroten Schopf.
    Hambrock setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und betrachtete ihn
schweigend. Es würde ihm nicht schwerfallen, Bertolt in die Enge zu treiben.
    »Sagen Sie mir doch bitte, welche Beziehung Sie zu Sandra Hahnenkamp
hatten.«
    »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Wir kannten uns, das war
alles. Es gab keine Beziehung.«
    »Hätten Sie denn
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