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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben
Autoren: Anne Chaplet
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hier ein Haus kaufen wollte, hat ihm gar nicht gefallen. Aber er muß geglaubt haben, daß ihn schon niemand wiedererkennen würde. Er hatte längst keine abstehenden Ohren mehr und er war eine Respektsperson – wer bringt schon einen Kinderarzt mit einem Kindermörder in Verbindung?«
    »Sie nannten ihn Fledermaus.« Karen schüttelte langsam den Kopf. »Und das war er nicht mehr. Er war überhaupt nicht mehr derselbe. Er glaubte, daß ihn niemand erkennen würde, weil er selbst den Jungen von damals nicht mehr kannte.«
    Bremer spürte die kühle Nachtluft auf seiner Stirn und ein tiefes Mitleid mit Thomas Regler. Nicht mit Michael Hansen. Im Gegenteil. Aber dann flackerte das alte Mißtrauen gegen Krista wieder auf. Thomas war sterilisiert. Sie war schwanger. Hatte sie nicht behauptet, sie sei mit Hansen nicht ins Bett gegangen?
    »Der Katalog mit Umstandsmoden«, sagte er. »Du bist …«
    »Schwanger?« Krista lachte leise. »Das glaubte Jens auch. Und deshalb sollte ich ebenfalls dran glauben – damit auch die Nachkommen der Täter aus der Welt wären.«
    »Aber der Katalog?«
    »Ich wollte ein Geschenk für Tamara aussuchen. Das ist alles.«
    »Ausrotten bis ins letzte Glied.« Karen seufzte. »Als ob da was im Erbgut wäre.«
    »Thomas muß das auch befürchtet haben.« Krista klang erstaunlich sachlich. »Sonst hätte er sich nicht sterilisieren lassen.«
    Die Luft roch nach Geißblatt und Schweinestall.
    Bremer ging in den Keller und holte die Flasche Zwalu aus dem Regal, einen südafrikanischen Roten, den er für besondere Anlässe hütete. Nichts war gut, gar nichts war gut. Dennoch gab es genug Gründe, um auf das Leben zu trinken.
    »Ich bin froh, daß ich keine Kinder habe«, sagte Karen, als sie anstießen.
    »Die armen, schrecklichen, verzweifelten Kinder.« Krista flüsterte es fast. Und dann stand sie auf und stürzte ins Haus. Bremer hörte sie schluchzen.

52
    D er Tag, an dem Jens Peters beerdigt werden sollte, begann schwül und drückend. Selbst ein ordentlicher Landregen wäre Bremer lieber gewesen als diese bleierne Hitze, schwanger mit dem Geruch von Schweinekot und Verwesung.
    Jens Peters würde so beerdigt werden, wie er gelebt hatte: ohne die Anteilnahme seiner Eltern. Sabine Peters war seit Jens’ Selbstmord in psychiatrischer Behandlung, in einer Anstalt irgendwo im Taunus. Ihr Mann hatte Frau und Sohn schon vorher verlassen. Um die Beerdigung hatte sich Bremer gekümmert, so wie das auch Wilhelm getan hätte, der endlich auf Kur war und an seiner »Wiederherstellung« arbeitete.
    Es hatte einen kurzen und lautstarken Streit gegeben, als Bremer eine Grabstelle auf dem Friedhof Klein-Rodas beantragt hatte.
    »Einen Mörder willst du bei uns begraben? Auch noch einen, der gar nicht von hier ist?« Harrys Stimme klang heiser vor Wut. Es war wie eine Befreiung, zurückzubrüllen.
    »Und das sagst du, der du den armen Kerl auf die Idee gebracht haben dürftest, mir einen Brandsatz in den Schuppen zu schleudern und einen Stein durch Kristas Wohnzimmerfenster zu werfen? Du, der du uns freigegeben hast zum Abschuß? Vielleicht hat er ja geglaubt, er kriegte dafür Applaus von dir!«
    Harry ging in Schildkrötenstellung. »Was haben wir mit so einem Kerl zu schaffen? Der soll gefälligst da verscharrt werden, wo er herkommt!«
    »Der Kerl hat dir jahrelang deinen Rentenbescheid und deine idiotischen Zeitschriften für Waffennarren vorbeigebracht! Und außerdem…«
    »Wir müssen mit der Geschichte leben, Harry.« Gottfried klang verdächtig milde. »Und außerdem gibt es so etwas wie christliche Nächstenliebe.«
    »Eine Leiche tut niemandem weh«, fügte Willi pragmatisch hinzu.
    Die Mütter des Dorfes votierten ebenfalls für Mitleid.
    Der mißhandelte Bruder eines mißhandelten Kindes – das rührte alle.
    »Vorurteile sind immer schädlich«, hatte Christine vornehm gesagt. Bremer überlegte kurz, ob er ihr zuzwinkern sollte. Nur, um sie daran zu erinnern, daß sie sich an ihre eigenen guten Vorsätze auch nicht immer gehalten hatte. Aber er fürchtete, daß sie zwar geläutert war, aber noch immer so humorlos wie eh und je.
    Er hatte eine frische Jeans angezogen und ein paar von der Hitze erschöpfte Rosen geschnitten und wollte gerade hochgehen, zum Friedhof. Vor dem Gartentor standen die Nachbarn, Marianne, auf den Straßenbesen gestützt, Gottfried mit Franz, Willi mit einer frischen Packung Zigaretten in der Hand.
    »Wißt ihr überhaupt schon das Neueste.« Bis vor kurzem war es
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