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Schneenockerleklat

Schneenockerleklat

Titel: Schneenockerleklat
Autoren: Gmeiner-Verlag
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uns ausgedacht haben!« Im Gegensatz zu
Palinskis Spanisch sprach die Psychologin, die in Hamburg studiert hatte,
ausgezeichnet Deutsch.
    Die große Uhr am Bahnsteig 18, auf dem eben der Sonderzug
4311 Criminal Express zum Semmering mit der planmäßigen Abfahrt um 15.25 Uhr
eingeschoben wurde, zeigte 13.28 Uhr.
    Noch jede Menge Zeit, aber von den erwarteten rund 400
Ehrengästen, die sich für die Zugfahrt angemeldet hatten, waren auch erst knapp
100 in der VIP-Lounge eingetroffen.
    Nun, bis zur Abfahrt war noch über eine Stunde Zeit.

     
    *

     
    Während Palinski seine Schäfchen für die Fahrt
mit dem aus restaurierten, voll funktionsfähigen und mit modernstem Komfort
ausgestatteten Waggons aus der Zeit der Monarchie bestehenden Sonderzug
sammelte, saß etwas mehr als 100 Kilometer südlich von Wien ein Mann bei seinem
kargen Mittagessen. Karl Schönberg, vulgo der Koglbacher, war 68 Jahre alt und
schon ein wenig tattrig. Es waren die Beine, die nicht mehr so recht mitmachen
wollten.
    In der Erinnerung seiner ehemaligen Freunde und
Geschäftspartner war er aber nach wie vor der kraftstrotzende Bulle, dem sich
nichts und niemand entgegenstellte.
    Ein Gigant, der Beste seines Faches überhaupt. Und das
wirklich Erstaunliche war, dass seine Feinde, besser die, die seine Feinde
gewesen und trotzdem noch am Leben waren, nicht viel anders dachten.
    Der Koglbacher war kein Einheimischer, sondern ein
sogenannter Zuagraster, also ein Zugereister. Plötzlich, eines Tages vor etwas
mehr als zwölf Jahren, war er da gewesen. Hatte als einer der Ersten von den
neuen Freiheiten für EU-Bürger Gebrauch gemacht und sich in der Stanz
niedergelassen.
    Seiner freundlichen, natürlichen Art, der unauffälligen
Selbstverständlichkeit, mit der er sich seiner Umwelt angepasst hatte, ja in
ihr aufgegangen war, vor allem aber seinen ausgezeichneten Deutschkenntnissen
war es zu verdanken, dass der Koarl inzwischen fast als Einheimischer angesehen
wurde.
    Und nur sehr sensible Ohren konnten auch heute noch den
leichten Hauch von Akzent erkennen, der verriet, dass der Koglbacher vor vielen
Jahren als Carlo Montebello in Neapel zur Welt gekommen war.
    Nach einem intensiven, höchst erfolgreichen Arbeitsleben war
er, der in seinem Fach zu den Besten zählte, bereits mit 56 Jahren in den
Ruhestand gegangen. Nein, eher in allen Ehren gegangen worden. Aus Gründen der
Familienpolitik, wie es seinerzeit inoffiziell geheißen hatte.
    Und so, wie es andere Menschen im Altenteil in den Süden zog,
hatte es Signore Carlo Montebello in den Norden gezogen. Während sich der
Koglbacher genussvoll mit den letzten Bissen seines Schmalzbrotes beschäftigte,
klingelte das Wandtelefon im Vorraum. Wohl müßig anzumerken, dass es sich um
einen Festnetzanschluss handelte. Mühsam erhob sich der alte Mann, griff nach
seinem Gehstock und brachte die Strecke in den Vorraum vorsichtig zeppelnd
hinter sich.
    »Jo«, meldete er sich schließlich nicht gerade formvollendet,
für die Gegend aber durchaus typisch.
    »Ciao amico«, meldete sich eine heisere, unverkennbare Stimme
aus seiner Vergangenheit, »dobbiamo parlare, Carlo, wir missen sprecken!«

     
    *

     
    Der Anruf ihrer Schwester Anita hatte Elisabeth
Bachler völlig aus der Fassung gebracht. Entführungen und Lösegeldforderungen
waren Ereignisse, an die man durch die Medien zwar immer wieder erinnert wurde,
aber zwischen der allgemeinen Aufregung über solche Verbrechen sowie Mitgefühl
mit den Betroffenen und dem, was sie jetzt tatsächlich bewegte, ja aufwühlte,
lagen emotionale Welten.
    Um Gottes willen, jetzt hatte das Verbrechen, vielleicht
sogar der internationale Terrorismus auch ihre Familie erfasst, man glaubte,
nein hoffte ja immer, dass einem selbst solche schrecklichen Erfahrungen
erspart blieben.
    Und dann, eines Tages, stellten sie sich doch ein.
    Nach dem Schmerz war eine gewisse Erleichterung zu verspüren.
Elisabeth Bachler schämte sich zwar, das eingestehen zu müssen. Aber sie war,
und das war nur zu menschlich, froh, sehr froh sogar, dass es nicht ihre
Tochter Wilma getroffen hatte. Oder eines ihrer Enkelkinder. Ein unvorstellbarer
Gedanke.
    Nun, die 120.000 Euro waren kein Problem. Sowohl ihre Familie
als auch Anita waren relativ wohlhabend. Zwar hatten sie sicher nicht so viel
Bares herumliegen, denn das Geld war langfristig gebunden, aber falls alle
zusammen halfen, und davon ging sie aus, dann sollte das Aufbringen des
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