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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann
Autoren: Jo Nesbø
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davon aus, dass Sie das ironisch meinen?” “Überhaupt nicht. Ein derart schwacher Präsident hört auf seine Berater, und die sind nirgendwo besser als im Weißen Haus. Auch wenn man durch diese lächerliche Fernsehserie über das Oval Office den Eindruck bekommt, die Demokraten hätten das Monopol für Intelligenz, findet man die schärfsten Denker in Wirklichkeit im äußersten rechten Flügel der Republikaner. Norwegens Sicherheit ist in den besten Händen.”
    “Eine Freundin von einer Freundin von mir hat Sex mit dir gehabt.”
    “Ach wirklich?”, fragte Harry.
    “Nicht mit dir”, sagte Rakel. “Ich rede mit dem anderen bei dir im Zimmer. Mit diesem Stop.”
    “Sorry.” Harry drehte das Radio leiser.
    “Nach einem Vortrag in Trondheim. Er hat sie in sein Zimmer eingeladen. Sie war durchaus interessiert, hat ihn aber darauf hingewiesen, dass sie eine amputierte Brust hatte. Er hat sich daraufhin ein bisschen Bedenkzeit erbeten und ist zurück in die Bar gegangen, dann aber doch wiedergekommen und mit ihr nach oben verschwunden. “
    “Hm, ich hoffe, es hat den Erwartungen entsprochen?” “Nichts entspricht den Erwartungen.”
    “Nein”, pflichtete Harry ihr bei und fragte sich, worüber sie eigentlich gerade redeten.
    “Wie sieht es mit heute Abend aus?”, fragte Rakel.
    “Acht Uhr im Palace Grill ist gut. Aber was soll denn dieser Unsinn, dass man da nicht reservieren kann?”
    “Ich denke, das soll dem Ganzen einen etwas exklusiveren Touch geben.”
    Sie verabredeten sich in der Bar nebenan. Nachdem sie aufgelegt hatten, blieb Harry nachdenklich sitzen. Sie hatte glücklich geklungen. Unbeschwert. Gutgelaunt. Er fragte sich, ob er sich für sie freuen konnte. Was empfand er dabei, dass die Frau, die er so über alles geliebt hatte, jetzt mit einem anderen Mann glücklich war? Rakel und er hatten ihre Zeit gehabt, und auch er hatte seine Chancen bekommen. Und sie vertan. Warum sollte er also nicht glücklich darüber sein, dass es ihr gut ging? Warum nicht endlich den Gedanken begraben, dass alles auch so ganz anders hätte laufen können? Warum konnte er in seinem Leben nicht endlich einen Schritt weiterkommen? Er nahm sich selbst das Versprechen ab, sich noch ein bisschen mehr Mühe zu geben.
    Die morgendliche Dienstbesprechung war rasch überstanden.
    Gunnar Hagen - Kriminaloberkommissar und Dezernatsleiter ging die aktuellen Fälle einzeln durch. Es lag nicht viel an, denn zur Zeit hatten sie keinen Mordfall auf dem Tisch, und nur solche Fälle hielten die Abteilung wirklich in Atem. Thomas Helle von der Vermisstenstelle der Kriminalwache war auch anwesend. Er berichtete von einer Frau, die jetzt schon ein Jahr lang vermisst wurde. Keine Spur von einem Gewaltverbrechen, keine Hinweise auf einen möglichen Täter und keine Spur von ihr. Die Hausfrau und Mutter war zuletzt gesehen worden, als sie ihre Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, morgens in den Kindergarten gebracht hatte. Ihr Ehemann und ihr gesamter Bekanntenkreis hatten ein Alibi, von ihnen kam definitiv niemand als Täter in Frage. Man einigte sich darauf, dass das Dezernat für Gewaltverbrechen den Fall unter die Lupe nehmen sollte.
    Magnus Skarre richtete einen Gruß von Stale Aune aus - dem Psychologen, der immer wieder für das Dezernat arbeitete. Er hatte ihn im Ulleval-Krankenhaus besucht. Harry spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Stale Aune war nicht nur sein Berater bei gewissen Kriminalfällen, sondern auch seine persönliche Stütze im Kampf gegen den Alkohol, und außerdem der einzige Mensch, den er annähernd als seinen Freund bezeichnen konnte. Es lag schon eine Woche zurück, dass Aune mit unklarer Diagnose eingeliefert worden war. Trotzdem war es Harry noch nicht gelungen, seinen Widerwillen gegen Krankenhäuser zu überwinden. Mittwoch, dachte er. Oder Donnerstag.
    “Wir haben eine neue Kommissarin “, verkündete Gunnar Hagen. “Katrine Bratt.”
    Eine junge Frau in der ersten Reihe erhob sich unaufgefordert, allerdings ohne zu lächeln. Sie war sehr hübsch. Hübsch, aber sie betont es nicht, dachte Harry. Dünne, fast strähnige Haare hingen leblos um das ebenmäßige, blasse Gesicht mit dem ernsten, eher müden Ausdruck, der Harry schon bei anderen bildschönen Frauen aufgefallen war. Sie waren es schon so gewohnt, angestarrt zu werden, dass sie sich längst nicht mehr darum kümmerten. Katrine Bratt trug ein blaues Kostüm, das ihre Weiblichkeit betonte, aber die dicken, schwarzen Strümpfe
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