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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition)
Autoren: Sophia Farago
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ist. Bestimmt ist er von hohem Adel. Diese Ausstrahlung, dieses Auftreten – ich kann mich nicht irren.« Kitty war aufgesprungen und suchte das Bücherregal neben Mary Anns Bett ab. »Wo hast du das Buch hingestellt, Annie?« wollte sie wissen. »Hier kann ich es nicht sehen.«
    »Es liegt in der Schublade meines Nachttisches. Was haben die beiden Herren denn am Waldrand gemacht? Einen Spaziergang?« wollte Mary Ann wissen.
    Kitty nahm das Buch aus der Lade: »Sagte ich das nicht?« Sie drehte sich um und ging zu ihrem Stuhl zurück, den Kopf bereits in die ersten Seiten des Adelsregisters vergraben. »Sie trugen einen Fechtkampf aus. Ein Duell nehme ich an. Sieh nur, was hier steht…«
    Mary Anns Augen weiteten sich: »Was hast du gesagt?« rief sie fassungslos. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Niemand ficht ein Duell am hellichten Nachmittag. Überdies, wenn ich mich recht entsinne, dann sind Duelle verboten.«
    Kitty hielt im Blättern inne: »Wirklich?« erkundigte sie sich leicht zerstreut. »Nicht bei uns in Spanien.«
    »Du bist hier aber nicht in Spanien. Du bist in England.« Mary Ann unterbrach sie mit deutlicher Ungeduld. »Würdest du jetzt bitte die Freundlichkeit haben, das Buch wegzulegen und mir alles haargenau zu schildern. Ich bestehe darauf, jedes Detail zu hören. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Bernard, ich meine, Reverend Westbourne, duelliert. Er ist so ein ernsthafter, vernünftiger Mann. Stets der perfekte Gentleman, korrekt und überlegt…«
    Kitty nickte: »Ich weiß, was du sagen willst: ein steifer Mensch ohne jedes Temperament. Ich kenne ihn nur zu gut. Und dennoch, er hat sich duelliert. Ich war selbst überrascht.«
    Mary Ann entschied sich, auf diese wenig schmeichelhafte Beschreibung ihres Schwarms nichts zu erwidern. Gebannt wartete sie, daß Kitty in ihrer Erzählung fortfuhr: »Ich war gerade eine gute Viertelstunde geritten, als ich an dem Teich vorbeikam. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, über die großen Felder in Richtung Radstock zu reiten. Die sind längst abgeerntet und liegen brach. Eine geradezu endlose Weite. Wie geschaffen für einen schnellen Galopp. Was ist schon eine langweilige Klavierstunde gegen einen flotten Ritt? Gibt es etwas Schöneres, als auf einem Pferderücken im gestreckten Galopp durch die Gegend zu fliegen, den Wind in den Haaren zu spüren, die…?«
    »Also ich könnte dir da eine ganze Menge aufzählen«, unterbrach Mary Ann sie trocken. »Aber wie du weißt, reite ich überhaupt nicht. Könntest du jetzt bitte zur Sache kommen?«
    »Aber ich bin doch schon mitten in meiner Geschichte«, verteidigte sich Kitty. »Ich wollte eben am Teich vorbeireiten, als mir eine Entenfamilie auffiel. Ich hatte für Salomon einige Brotrinden in meiner Satteltasche. Da dachte ich, er könnte es verschmerzen, wenn er diese mit den Enten teilen müßte. Ich weiß nicht, ob du dich erinnern kannst, aber an der südlichen Seite des Teiches ist dieser durch eine Eibenhecke vom Weg getrennt. Ich wollte eben absitzen, da hörte ich Stimmen hinter der Hecke. Und das Geklirr von aufeinandertreffendem Stahl. Du kannst dir vorstellen, daß ich sofort neugierig wurde und wissen mußte, was hier vor sich ging. Ich brachte Salomon ganz nahe an die Hecke heran und suchte eine unbelaubte Stelle im Gebüsch, um das Geschehen beobachten zu können. Oh, Annie, du hättest Jas sehen sollen.« Kitty sprang auf, machte einen Ausfallschritt und tat so, als ob sie mit einem Degen gegen einen nicht vorhandenen Gegner vorgehen wollte. »Wenn du gesehen hättest, wie elegant er den Degen führt, wie leichtfüßig er sich bewegt! Dabei ist er doch so groß und fornido , ich meine, er hat so breite Schultern.« Ihre Hände zeichneten seinen Oberkörper nach, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Dann ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl zurückfallen und sagte mitverträumtem Blick: »Und er ist so schön. So außergewöhnlich schön. Annie, ich habe noch nie so einen gutaussehenden Mann gesehen. Groß und stattlich. Er überragt den Reverend sicher um einen ganzen Kopf.«
    »Das muß ja ein Riese sein!« rief Mary Ann mit leichtem Spott. »Ich kann ihn schon fast vor mir sehen. Ein Ungeheuer mit enormen Ausmaßen und langer wallender Mähne.«
    »Er hatte die Haare zu einem Zopf zusammengebunden«, berichtigte ihre Freundin.
    Mary Ann starrte sie mit offenem Mund an: »Er trug einen Zopf?« wiederholte sie ungläubig. »Meine Liebe, du machst Scherze. Schon als du die
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