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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub)
Autoren: Marten t Hart
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Unausweichliches. Dieser arme Liebhaber und Frederica, ach, die beiden sind ja zwei aneinandergekettete Galeerensklaven der Liebe. Ich täte gut daran, sie voneinander zu trennen. Aber Frederica im Bett mit irgendeinem dahergelaufenen Yankee ... pfui Teufel ... Nun ja, alles im Leben hat seinen Preis. Im großen Kontobuch des Universums ist möglicherweise bereits festgeschrieben, dass ich den Cowboy-Lover in Kauf nehmen muss, im Tausch gegen den Zugang zu einem der größten Computer der Welt, mit dem man Primzahlen finden kann, die viel größer sind als die heute bekannten. Stell dir nur einmal vor, eine Primzahl mit ... zehn Millionen Stellen ... Weißt du, dass darauf eine Belohnung von einhunderttausend Dollar ausgesetzt ist? Tja, was kümmert mich das Geld, ich will eine solche Zahl finden ... Zehn Millionen Stellen ... ach, ach, was für eine Perspektive ... Ja, ich mach’s, ich gehe nach Harvard.«

Straßen aus Gold
    M eine Söhne kümmern sich nicht um mich«, sagte meine Mutter.
    »Aber, aber, ich bin doch jetzt hier? Zwei Stunden war ich unterwegs, bei kräftigem Gegenwind.«
    »Dann hast du nachher Rückenwind, ja, ich kann mich freuen, dass du jetzt hier bist, aber wie oft kommst du?«
    »Du würdest mich öfter sehen, wenn ich dich auch am Sonntag besuchen dürfte. Sonntags hab ich Zeit.«
    »Wie du weißt, möchte ich nicht, dass du am Sonntag mit dem Fahrrad herkommst. Das bekümmert den Herrgott zutiefst.«
    Mit zitternden Händen stellte sie den Tee vor mir ab.
    »Meine Söhne kümmern sich kaum um mich«, präzisierte sie. »Von Siems Töchtern höre ich nie wieder etwas, und meine Brüder sehe ich gar nicht mehr.«
    »Wieso das?«
    »Die sind in Israel und wollen sich dort niederlassen. Mein jüngster Bruder hat herausgefunden, dass unsere Mutter ein untergeschobenes Kind war. Von einem jüdischen Burschen und einer jüdischen Dienstmagd. Jetzt sind wir also alle plötzlich jüdisch. Darum hatten wir im Krieg auch immer Probleme.«
    »Und deshalb denken sie, sie müssten sich in Israel niederlassen?«
    »Genau, aber die sollen ja nicht glauben, dass ich auf meine alten Tage noch nach Israel übersiedle. Baflo war schon weit genug weg. Und außerdem ... meine Schwester Geertje hat unsere Brüder besucht. Einer von ihnen biwakiert dort in einem Haus mit lauter komischen Kerlen, und als sie dort war, hockte unser Bruder irgendwo hinter einem Vorhang. Sie hat sich gefragt, was er dort hinter dem Vorhang treibt. Also schaut sie vorsichtig nach und sieht, dass unser Bruder mit einem Kerl herummacht.«
    »Das passiert auch anderswo.«
    »Zwei Kerle, wie die Hunde, das kommt dort aber häufiger vor«, beharrte meine Mutter. Sie setzte sich und trank Tee durch einen Strohhalm. »Könntest du mir helfen? Gegenüber wohnt eine vierundneunzigjährige Frau. Den ganzen Tag über hat sie mich vom Badezimmer aus beobachtet. Was sie in ihrem Alter daran findet ... Ich schaue also zurück und sehe, dass sich ihr Badezimmervorhang ständig bewegt. Dann kommt ein uralter Mann mit einem Hund vorbei, ein netter Mann übrigens, trotz seines Alters durchaus noch ansehnlich, und der Mann bemerkt, dass ich zu dem sich bewegenden Vorhang hinüberschaue, und er begreift sofort, was los ist. Also ist er gleich zu ihr hin, sodass die Frau schließlich aus ihrem Badezimmer abgezogen ist. Danach aber hat sie mich den ganzen Tag über von ihrem Wohnzimmer aus beobachtet. Jedes Mal sehe ich die Linsen des Fernglases aufblitzen, mit dem sie mich observiert. Darum habe ich meine Vorhänge halb zugezogen und mich dahinter aufgehalten, sodass sie mich nicht sehen konnte. Aber jetzt hat sie so ein Ding angeschafft, wie es sie in U-Booten gibt und womit man um die Ecke schauen kann. So ein ... so ein ... sag schon, wie es heißt.«
    »Periskop.«
    »Genau, das meine ich, jetzt schaut sie also eiskalt um die Ecke.«
    Ich ging zum großen Wohnzimmerfenster und spähte hinüber zur anderen Seite der breiten Straße. Dort stand eine Villa mit einem dunklen Wohnzimmerfenster. Von dort aus sollte meine Mutter wie im Fenster zum Hof mithilfe eines Periskops bespitzelt worden sein? Von einer vierundneunzigjährigen Frau?
    »Wie kann ich dir helfen?«
    »Schreib dem hiesigen Bürgermeister einen Brief.«
    »Das werde ich tun«, log ich.
    »Und noch etwas, da ist noch etwas anderes, was ich dich fragen möchte, was ich dich schon ganz lange fragen will; immer wieder schießt es mir durch den Kopf, und dann denke ich: Das muss ich
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