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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub)
Autoren: Marten t Hart
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wurde heller. Die Flöckchen verwandelten sich in Regentropfen. Jouri schaltete die Scheibenwischer ein.
    »Was du nicht weißt«, fuhr er fort, »was niemand weiß und was auch sonst niemand je erfahren sollte, ist, dass Hebe und ich seit diesem denkwürdigen Abend ein Paar waren.«
    »Was sagst du da? Aber warum hast du dann nicht Hebe geheiratet?«
    »Sie wollte nicht heiraten, sie sagte immer: ›Wenn man heiratet, ist man der Besitz des anderen, dann sagt der Mann: Meine Frau, und die Frau: Mein Mann, so wie der Mann auch sagt: Mein Auto, und die Frau: Meine Waschmaschine. Aber ich will nicht das Auto von jemandem sein, ich will nicht als Besitz eines anderen durchs Leben gehen.‹«
    »Sie hat also nie geheiratet?«
    »Nein. Sie hat nicht mal einen Freund gehabt. Sie war die meine ... auch wenn ich das nie sagen durfte. Sie wurde schon wütend, wenn ich sie ›meine Lieblingsprimzahl‹ nannte.«
    »So hast du sie genannt? Wirklich? ›Meine Lieblingsprimzahl.‹ Wie kommst du darauf? Wie lustig. Bin ich vielleicht auch eine Primzahl?«
    »Natürlich, du bist meine älteste und teuerste Primzahl, doch sie ... sie war meine Lieblingsprimzahl, und weil sie meine Lieblingsprimzahl war, wollte ich sie ganz für mich haben. Darum habe ich nicht einmal dir von ihr erzählt, denn dann hätte ich sie vielleicht mit dir teilen müssen.«
    »Und trotzdem hast du eine andere Frau geheiratet ... Was hat Hebe dazu gesagt?«
    »Das kümmerte sie nicht, denn sie wusste nur allzu gut, dass ich zwar mit Frederica verbunden bin, dass ich sie aber nicht wirklich liebe, jedenfalls nicht so, wie ich Hebe geliebt habe. Ich glaube sogar, Hebe fand es angenehm, dass ich verheiratet war, denn so konnte ich sie nicht mit Beschlag belegen. In dem Punkt war sie sehr empfindlich. Sobald sie nur das Gefühl hatte, ich wollte sie vereinnahmen, zog sie sich sofort zurück.«
    Wir gerieten in einen kleinen Stau. In der Böschung bemerkte ich rastende Berghänflinge.
    Jouri fuhr fort: »Hinzu kam, dass sie unglaublich niedergeschlagen sein konnte. Und sie war der Ansicht, sie könne es niemandem zumuten, mit einer solch depressiven Frau zusammenzuleben. Aber sie konnte auch sehr fröhlich sein. Als wir in Harvard waren ...
    »Du bist mit ihr in Harvard gewesen?«
    »Ja, sie war dort Au-pair, während ich ...
    »Allmächtiger, du bist dort also ein ganzes Jahr mit ihr zusammen gewesen, und ich habe nie davon gewusst, das erzählst du mir jetzt erst ...
    »Ich wollte sie für mich haben, und ich wollte deine Gefühle nicht verletzen.«
    »Wie nobel von dir. Schade nur, dass du erst damals auf diesen Gedanken gekommen bist.«
    »Als ob ich deswegen ...
    »Komm, komm, mithilfe des Spinnengrabs hast du mir Ans abgejagt. Und weil du nicht stark genug bist, ein Mädchen hochzuheben, hast du Archimedes zu Hilfe gerufen, als du mir im Schwimmbad Wilma abspenstig gemacht hast. Und bei Ria musstest du nicht einmal einen Trick anwenden, die nahmst du einfach bei der Hand und gingst weg mit ihr.«
    »Ich habe niemals absichtlich eine deiner Freundinnen ...
    »Ach, hör doch auf, sobald ich die Hand nach einer Frau ausstrecke, stehst du bereit, ihre andere Hand zu ergreifen.«
    »Nein«, erwiderte er, »das stimmt überhaupt nicht, so verhält es sich nicht ... Nein, es ist ganz anders ... Mädchen ... eigentlich sind es doch verrückte Wesen. Mit Ausnahme von Hebe. Aber nimm nur meine zwei Schwestern, Gott, sind die bescheuert. Ständig mit Nichtigkeiten beschäftigt. Waschen, Kleider in Ordnung bringen, Putzen, Schrubben, Bohnern, Staubwischen. Meine Mutter – steinalt inzwischen, aber immer noch dieselbe – ist ein herzensguter Mensch, aber sie ist auch wie ein Pferd mit Scheuklappen. Alles, was außerhalb der eigenen vier Wände passiert, interessiert sie nicht. Man könnte meinen, ihr sei nur eines wichtig im Leben: dass alles ordentlich aussieht. Alles muss blitzen und blinken, und darum sind Frauen und Mädchen auch ständig mit Wasser zugange. Achte mal drauf. Man sagt doch, alles Leben sei im Wasser entstanden, und alle Landtiere seien eigentlich Meerestiere, die an Land gekrochen sind. Nun, Frauen haben auf halber Strecke angehalten, die sind nie mit ganzem Herzen auf den Strand gekrochen, die sehnen sich ihr Leben lang zurück ins Wasser. Daher kann man auch am Strand und im Schwimmbad am besten Mädchen anmachen.«
    »Wenn das stimmt«, sagte ich, »dann verstehe ich erst recht nicht, warum du mir jedes Mal diese ach so bescheuerten
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