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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub)
Autoren: Marten t Hart
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sagen. Es fing damit an, dass er rief, Gott, sein Sohn und Satan verkörperten die Dreieinigkeit, und danach ging es sehr schnell bergab mit ihm. Was er nicht alles gesagt hat! ›Jesus war ein gewöhnlicher Mensch und ganz und gar nicht frei von Sünden‹, sagte er. Ich werde dir das nicht alles im Einzelnen berichten, mir läuft es noch heute kalt den Rücken hinunter, wenn ich nur daran denke. Er sagte einfach, Bileams Esel habe nicht gesprochen, denn Esel könnten nicht sprechen und Schlangen übrigens auch nicht. Es war am Ende so schlimm, dass ich glaubte, ich sei mit König Ahab, nein, mit dem Teufel persönlich verheiratet. Auf seinem Sterbebett habe ich zu ihm gesagt: ›Siem, du gehst ein zu Jesus Christus.‹ Da öffnet er ein Auge, sieht mich furchtbar böse an und sagt: ›Fräulein, lasst mich in Frieden mit diesem Quatsch, Jesus war ein gemeiner Betrüger.‹ Das war das Letzte, was er gesagt hat, mit diesen Worten auf den Lippen ist er ein paar Stunden später vor Gottes Richterstuhl erschienen, während dein Vater eine Stunde vor seinem Tod mit dem letzten Atem, der ihm noch geblieben war, den Herrn inniglich gebeten hat, ihm all seine Sünden zu vergeben ... Oh, oh, wie soll das werden, dort im Himmel, vielleicht habe ich ja da oben bis in alle Ewigkeit deinen Vater am Hals, und Siem ist nirgends zu sehen.«
    »Was hat denn der Pastor dazu gesagt?«
    »Der wollte mich trösten, aber das war nur Gerede, der ist auch nur ein Schwätzer. Siem ist gestorben wie Herodes, dein Vater wie Stephanus, daran kann auch der Pastor nichts ändern. Demnächst trete ich durch ein weit geöffnetes Perlentor, ich schreite inmitten von Engeln über Straßen aus Gold, und dann höre ich auf einmal das Sirren von Reifen, und dein Vater kommt – bei dem Gedanken kriege ich schon heute eine Gänsehaut – mit kaputten Hosenträgern angeradelt. Wenn ich nicht schlafen kann, und wenn man so alt ist wie ich, schläft man kaum noch, wenn ich also nicht schlafen kann, dann sehe ich es jedes Mal vor mir, wie ich mit Siem durch den Westgaag radle. Ich schau mich um, und dann sehe ich, wie dieses Vorderrad immer näher kommt und sich zwischen die Hinterreifen unserer Räder schiebt, immer weiter, mit im Sonnenlicht funkelnden Speichen und rostigem Schutzblech, von dem der Lack abblättert. Wenn dieses Vorderrad nicht gewesen wäre, dann wäre mein ganzes Leben anders verlaufen.«

Sie versauen dich, deine Mutter und dein Vater.
    Vielleicht nicht mit Absicht, trotzdem tun sie es.
    Sie füllen dich an mit ihren eigenen Fehlern.
    Und geben noch welche obendrauf, nur für dich.

    Aber sie wurden selbst versaut.
    Von Narren in altmodischen Hüten und Mänteln,
    die die Hälfte der Zeit rührselig-streng waren
    und sich ansonsten gegenseitig an die Gurgel gingen.

    Der Mensch reicht das Elend weiter an den Menschen.
    Es ist abgründig wie ein Festlandssockel.
    Sieh zu, dass du da so bald wie möglich rauskommst,
    und krieg bloß keine Kinder.

    Philip Larkin

Von Maarten ’t Hart liegen im Piper Verlag außerdem vor:

    Das Wüten der ganzen Welt
    Die Netzflickerin
    Ein Schwarm Regenbrachvögel
    Die schwarzen Vögel
    Bach und ich
    Gott fährt Fahrrad
    Das Pferd, das den Bussard jagte
    Die Sonnenuhr
    In unnütz toller Wut
    Die Jakobsleiter
    Mozart und ich
    Der Flieger
    Der Psalmenstreit

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