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Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Titel: Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)
Autoren: Holger Witzel
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haben zu müssen. Sie hat es einfach: Zwei Kinder, mal einen Job, mal keine Lust und – nach ein paar ernüchternden Erfahrungen in den Wendewirren – natürlich einen echten Ost-Hecht als Mann.
    Wahrscheinlich würde sie es nicht mögen, wenn ich an dieser Stelle mehr verrate. Vielleicht sollte man westdeutsche Leserinnen und Leser auch gar nicht noch zusätzlich mit den sexuellen Raffinessen einschüchtern, die wir seit Jahren teilen. Nur so viel: Über die wesentlichen Dinge in Bett, Familie oder dem Umgang mit Euch sind wir uns auch deshalb einig, weil wir beide in einem Land aufwuchsen, in dem Geld und Geltung keine große Rolle spielten. Es erlaubte nicht viel, aber wenigstens unabhängige Liebe.
    Wenn es bei uns mal Streit gibt, dann höchstens darum, wer als Kind mehr aus dem Westen hatte. Während meine Familie aus verschiedenen Quellen mit Jeans, Kaffee und Schokolade ganz gut versorgt war – ein entfernter Bekannter schickte sogar Zucker! –, musste meine Frau die Cordhosen ihrer Cousins aufragen. Trotzdem liegt sie mit den Fliesen für das Bad ihrer Familie in der Gesamtwertung ziemlich weit vorn. In kleinen Portionen schleppte sie die mit ihrer Schwester von der Paketbox nach Hause. Quadratmeter für Quadratmeter. Bruchsicher zwischen Puddingpulver verpackt: Geschenksendung, keine Handelsware. Fliesenkleber – anders als Zucker echte Bückware – natürlich auch. Wahrscheinlich hat sie von ihrer alleinerziehenden Mutter damals auch gleich das Verlegen gelernt, denn handwerklich kann ich ihr sowieso nichts vormachen, vom Einparken gar nicht zu reden. Das Schönste aber ist: Ich kann das alles ohne Erektionsprobleme zugeben, während sie kein Problem damit hat, mir belegte Brote, Wundpflaster und immer einen Apfel einzupacken, wenn ich am Wochenende mit meinen Hooliganfreunden westdeutsche Drittliga-Städte verwüste. Es ist diese souveräne Mischung aus Stolz und gütigem Männerverständnis, diese Größe, einfach alles … Aber wer weiß: Durchaus möglich, dass es das drüben auch vereinzelt gibt. Nach über 2 Millionen Republikflüchtigen seit 1989.
    Wie nun mehrfach betont, kann ich einfach nichts Schlechtes über West-Frauen sagen, nicht mal etwas Vorteilhaftes. Es war auch nicht mein Anliegen, alten Vorurteilen keine neue Nahrung zu geben. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle nur mal öffentlich sagen, wie sehr ich meine große Liebe liebe, denn heute sind wir genau zehn Jahre verheiratet. Glückwünsche gerne, von mir aus auch Neid – ansonsten wie immer: Schnauze!

»Natürlich achte ich das Recht.
Aber auch mit dem Recht darf man nicht so pingelig sein.«
    Konrad Adenauer
     

Fragen verboten
     
    In Dresden bestraft ein westdeutscher Richter zwei Journalisten. Sie haben zu freche Fragen über westdeutsche Richter gestellt. Mangelnde Pressefreiheit? Besatzungsrecht? Nein, nur Sachsen. Ein Prozess.
     
    Der Journalisten-Verband fürchtete ein »Exempel«. In letzter Minute forderte sogar die weltweit agierende Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen Freispruch. Und ich naives Zonenkind dachte immer, üble Nachrede gehöre zu unserem Beruf. Aber Fragen stellen? Als Journalist? Vorsichtshalber nehme ich auch diese beiden Fragezeichen gleich wieder zurück.
    Falsche Fragen sind gefährlich. Das hätten gerade die zwei Leipziger Kollegen wissen müssen, nachdem sie schon unter einem Gesinnungsregime aufwuchsen. Was wäre wohl passiert, wenn sie die gleichen Fragen in der DDR gestellt hätten, für die sie jetzt vom Amtsgericht Dresden verurteilt wurden: »Gerieten sie unter Druck«, hieß es in einem ihrer Artikel über Polizisten, »weil der einflussreiche Richter Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erhob?« Jede beliebige Junta in Afrika oder Lateinamerika hätte sich das auch nicht gefallen lassen. So gesehen kamen die Reporter mit je 2500 Euro Geldstrafe auch für sächsische Verhältnisse geradezu billig davon.
    Immerhin, so die Anklage, sollen die Schmierfinken zwei ehrenwerte Richter verleumdet haben, die in den frühen neunziger Jahren weder Strapazen noch Beförderungen scheuten, um die Gerechtigkeit in den Osten zu bringen. Sie haben in ihren Artikeln außerdem unverblümt die Arbeit westdeutscher Staatsanwälte kritisiert, was hierzulande automatisch eine Anklage nach sich zieht. Und ich dachte erst … Aber das behalte ich lieber für mich. Schließlich waren in Dresden ursprünglich sogar Haftstrafen gefordert.
    Na gut, sie kriegen es ja doch raus und ich kann
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