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Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)

Titel: Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)
Autoren: Holger Witzel
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Altersunterschiede ankommt, wenn es um den richtigen Ernährer oder irgendeinen läppischen Status geht. Dass sie sich untereinander jeden Job, jedes Gramm Untergewicht und jeden Blickkontakt mit einem echten Mann aus dem Osten neiden. Das alles würde ich gern als Halbwahrheiten abtun, wenn ich wenigstens einmal das Gegenteil erlebt hätte, aber wie gesagt …
    Letztlich kann ich nur Schlüsse daraus ziehen, wie sich West-Männer hierzulande aufführen und allein damit alle Klischees über ihre eigenen Frauen bestätigen. Wie sie gleich nach der Okkupation ausschwärmten und bis heute schwärmen: Von der angeblich so unkomplizierten Art der Zonen-Frau, mit der man nicht erst lange über Sinn und Zweck der Fortpflanzung diskutieren müsse, ohne Einverständniserklärung der jeweiligen Kirche – oder wie Ludger bei seinen naturgemäß immer wieder scheiternden Versuchen staunt: Ohne auch nur einen Zweifel aufkommen zu lassen, was sie selber wollen, und das nicht nur im Bett. Echtes Selbstbewusstsein, weder aufgesetzt noch feministisch hysterisiert, scheinen West-Männer von Haus aus nicht zu kennen. Es irritiert sie und macht sie gleichzeitig an. Auf Dienstreise in Leipzig können sie deshalb ihren Speichel kaum kontrollieren und wärmen gern die alten Messe-Legenden auf, nach denen man hier bei den schönsten Frauen für ein paar Strumpfhosen alles bekäme. Sogar das, wonach sie zu Hause nach etlichen kostspieligen wie sinnlosen Schönheits-OPs nicht mal zu fragen wagen.
    Vor besonders unkomplizierten Leipzigerinnen habe ich westdeutsche Gastarbeiter Anfang der neunziger Jahre oft gewarnt. Sie wollten das nie hören. Es passte nicht in ihr Bild von dieser glückseligen Insel ohne Aids und Vermögensausgleich, wo alle immer nur nackt badeten und aus Mangel an Freizeitangeboten nichts mit sich anzufangen wussten, als es ständig und zügellos miteinander zu treiben. Dass diese Berichte vom Alltag der Eingeborenen auch nur der Fantasie ausgehungerter West-Reporter entsprungen waren, merkten viele erst, wenn am Morgen danach der Bodybuilder-Freund des Mädchens auftauchte und ein paar hundert Mark »Entschädigung« verlangte. Natürlich zahlten sie brav und so kam anfangs doch noch ein Teil der so genannten Buschzulagen im Osten an, bis sie ihre West-Frauen schweren Herzens nachholten oder wieder heimkehrten, was – das immerhin ist keine Vermutung – für alle Beteiligten das Beste war.
    Seltsamerweise gab und gibt es trotzdem immer wieder Fälle, in denen eine deutsch-deutsche Beziehung auch mal fünf Jahre oder länger hält, meist jedoch nur zwischen West-Frau und Ost-Mann, falls Sie das in Ihrem Bekanntenkreis mal empirisch überprüfen wollen. Die Frage ist nur, ob dafür die West-Frauen etwas können, oder ob es eher am Langmut der Ost-Männer liegt, ihrem Stehvermögen gewissermaßen?
    Dass West-Mann und Ost-Frau dagegen auf lange Sicht nicht kompatibel sind, kann man nur zum Teil auf sein retardiertes Rollenverständnis oder ihre Ansprüche an eine gewisse Befriedigung im Bett schieben. Selbst wenn sich ein Düsseldorfer bis zur Würdelosigkeit verrenkt, kriegt er den Spagat nicht hin, den eine Frau aus Cottbus erwartet: Nimmt er Erziehungsurlaub und läuft mit einem Babytragetuch rum, kann sie ihn nicht mehr ernst nehmen. Bildet er sich ein, sein wichtiger Beruf lässt mehr Zeit für Familie nicht zu, ist er schneller ein Wochenendpapa, als er seine Börse zücken kann, mit der er sich gewöhnlich davon freikauft. Ost-Frauen kennen keine Trennungsängste. Die Scheidung sitzt immer mit am Küchentisch. Oft sind sie selbst mit alleinerziehenden Müttern groß geworden und finden nichts dabei. Ein falsches Wort, eine überhebliche Geste, ein gedankenloses Geschenk – weg sind sie. Ich persönlich brauche nur mal über die dreckige Küche zu stöhnen, ganz leise, eher für mich, schon höre ich noch dreckigere Schimpfworte: Du Wessi, zum Beispiel, mach’s doch selber!
    Meist machen wir es dann zusammen, die Küche. Und damit bin ich auch schon beim besten aller Gründe, warum mir unterforderte Herdheimchen mit heimlichem Karrierefrust oder überforderte Karriere-Mütter mit heimlicher Herdsehnsucht unheimlich sind: bei meiner Frau. Sie nimmt mir weder dieses »besitzergreifende Possessiv-Pronomen« übel – wie mich eine sonst ganz hübsche West-Kollegin mal belehrte, nachdem ich zu ihrer Abschreckung schnell von »meiner« Frau erzählt hatte –, noch verwechselt sie Emanzipation damit, immer alles
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