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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel
Autoren: dtv
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Wochenende statt und bestand meist aus Ausschlafen, Einkaufen,
     Saubermachen und am Rhein Spazierengehen. Das Nachtleben liegt mir nicht, ich gehe nicht allein in Kneipen, schon gar nicht
     in Discos. Dazu bin ich viel zu schüchtern. Gelegentlich bin ich ins Kino gegangen, aber das ist natürlich auch kein Ort,
     an dem man Leute kennenlernt. Sportkurse konnte ich nicht belegen, weil ich keinen geregelten Feierabend hatte. Wie sollte
     ich so eine Freundin finden?
    Und dann, nach acht Jahren Single-Dasein, kam Greg.
    Ich verdrängte den Gedanken an ihn, denn mir schossen wieder die Tränen in die Augen. Andererseits waren die Tränen ganz gut,
     denn sie verhinderten den Blick auf den langsam antrocknenden Kuchen auf dem Tisch vor mir.
    Also doch zurück zu Greg. Als er in die Agentur kam, wurde ich von Jörgen beauftragt, dem frisch aus Amerika eingetroffenen
     Assistant Art Director bei der Wohnungssuche zu helfen. Daraus ergab sich zwangsläufig ein Kontakt,der neben der Arbeit auch am Wochenende fortgesetzt wurde. Ich suchte Wohnungsanzeigen aus der Zeitung heraus, rief die Vermieter
     an, vereinbarte Termine und besichtigte samstags und sonntags mit Greg die angebotenen Objekte. Währenddessen wohnte er auf
     Agenturkosten im Hotel, schien sich dort, dank ausgezeichneter Rundumversorgung, sehr wohl zu fühlen und hatte es daher nicht
     eilig, in die eigenen vier Wände zu kommen. Als ich ganz unerwartet die Kündigung für mein Ein-Zimmer-Apartment erhielt, nahm
     ich all meinen Mut zusammen und schlug mit klopfendem Herzen vor, zusammenzuziehen. Zwar war unsere Beziehung bis dahin nicht
     über eher sporadische Intimitäten hinausgekommen, aber zu meiner großen Überraschung willigte Greg ein. Die Zicken aus der
     Mediaplanung zischelten den Begriff »betreutes Wohnen« durch die Flure, aber das entsprang nur ihrer Eifersucht, denn Greg
     war nun einmal der schönste Mann im Büro.
    »Darf’s noch was sein?«
    Ich tauchte aus meinen tränenumflorten Erinnerungen auf, erkannte die Bedienung, die mich mit besorgtem Gesichtsausdruck anblickte,
     und schüttelte den Kopf.
    »Sie können den Kuchen abräumen«, murmelte ich.
    »Ist er nicht gut?«, fragte sie.
    »Doch, doch«, beeilte ich mich zu antworten. »Aber ich kann jetzt nicht   …« Der Rest des Satzes wurde unhörbar, als mir die Stimme wegrutschte.
    Sie nickte schnell, griff nach dem Teller, gab sich dabei sichtliche Mühe, mich nicht weiter anzusehen, und verschwand.
    Jedenfalls hatte ich, nachdem ich mit Greg zusammenlebte, erst recht keine Freundin mehr gesucht, obwohl Greg abends so oft
     weg war, dass ich eine Freundschaft durchaus hätte pflegen können. Aber es hat sich einfach nie ergeben.Und jetzt hatte ich also gleich drei Probleme an der Backe: Job weg, Freund weg, Wohnung weg. Eine Rückkehr nach Hause auf
     die Eifeler Höhen kam trotzdem nicht infrage. Nach all den Jahren war ich eine Stadtpflanze geworden.
     
    Der Antrittsbesuch auf dem Arbeitsamt, das natürlich nicht mehr so heißt, sich aber immer noch so anfühlt, verlief angenehmer,
     als ich erwartet hatte, stellte meine Geduld aber trotzdem auf eine harte Probe.
    »Ausbildung zur Werbekauffrau?«
    »Ja.«
    »Sie sind ja schon über dreißig!«
    »Ja.«
    »Hm. Das ist in der Werbung natürlich ein Problem.«
    Darauf antwortete ich lieber nicht.
    »Führerschein?«
    »Ja.«
    »Pkw?«
    »Nein.«
    »Fortbildungen? Zusatzausbildungen? Weitere nennenswerte Fähigkeiten?«
    »Nein.«
    Oder vielleicht doch? Sollte ich erwähnen, dass ich die agentureigenen Pflanzen pflegte? Nein, lieber doch nicht.
    »Also nicht viel«, sagte die gelangweilte Dame mittleren Alters mit dem schlecht gefärbten und toupierten Haar. »Nur
eine
Ausbildung, nur
ein
Arbeitgeber,
keine
Fortbildungen,
kein
Studium,
keine
Auslandserfahrung und schon
über
dreißig. Naja, wenn Sie sich Mühe geben, finden Sie vielleicht wieder was in dem Bereich.«
    »Davon gehe ich aus«, sagte ich, obwohl ich mir nicht mehr so sicher war. So, wie die Sachbearbeiterin meinen Fall geschildert
     hatte, bestand wohl wenig Hoffnung.
    »Lesen Sie das alles aufmerksam durch«, sagte die Frau und drückte mir einen ganzen Stapel Broschüren, Faltblätter und weitere
     Formulare in die Hand.
    »Und in vier Wochen sehen wir uns wieder.«
    Sie schrieb ein Datum und eine Uhrzeit auf einen vorgedruckten Terminzettel und reichte ihn mir herüber.
    »Ab sofort müssen Sie erreichbar sein, bei Abwesenheit ist sicherzustellen, dass jemand Ihre
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