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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel
Autoren: dtv
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und Zombies
     bekommen keinen neuen Job, schon gar nicht in der Werbung.«
    Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter ihr ins Schloss,während ich am Schreibtisch saß und überlegte, was sie mit Energie ausstrahlenden Worten meinte und wo ich so ganz auf die
     Schnelle ein hippes Hobby hernehmen sollte. Denn von der Aufzucht und Pflege anspruchsloser Pflanzen in Balkonkästen aus grünem
     Plastik hatte Troll sicher nicht gesprochen.
     
    Nach etlichen Stunden abendlicher Auseinandersetzungen mit meiner ausgesprochen dominanten persönlichen Bewerbungsberaterin
     Troll hielt ich endlich einen genehmigten Lebenslauf und ein zugegebenermaßen erstklassiges Zeugnis von meinem ersten und
     einzigen Arbeitgeber in der Hand. In dem Zeugnis hätte ich mich, wenn mein Name nicht draufgestanden hätte, nicht wiedererkannt.
     Mein »jederzeit herausragendes Engagement«, meine »ausgezeichnete Beherrschung aller im kaufmännischen Bereich eingesetzten
     ED V-Programme «, meine »vorbildliche Kompetenz sowohl in externer wie interner Kommunikation« und ähnliche Fähigkeiten mussten einfach eine
     der anderen neunhundertneunundneunzig Werbeagenturen der Stadt davon überzeugen, dass ich genau die Richtige für sie war.
    Ich tippte Bewerbungsschreiben. Hunderte, wie mir schien. Die Anschreiben steckte ich mit Lebenslauf und Zeugniskopie in große
     Umschläge, die ich paketeweise bei der Post aufgab. Ich schrieb nicht nur an solche Agenturen, die Stellenanzeigen geschaltet
     hatten, sondern auch an die, die einen besonders guten Ruf genossen und für mich als Arbeitgeber infrage kamen.
     
    Einige Bewerbungsmappen kamen postwendend zurück, aber nach zehn Tagen war es endlich so weit. Ich war den ganzen Tag unterwegs
     gewesen, erst beim Arbeitsamt, dann im Copyshop, bei der Bank, der Post und schließlich nocheinige Einkäufe erledigen. Ich kam völlig erschöpft nach Hause und freute mich auf einen Linseneintopf aus der Dose, den ich
     vor dem Computer essen wollte. Als nette Unterhaltung hatte ich mir einen Film auf DVD ausgeliehen, denn der superteure Riesenflachbildschirm
     von Gregs Computer eignet sich hervorragend zum Filmeschauen. Aus dem völlig entspannten Linseneintopf-Kino-Abend wurde leider
     nichts, denn ich fand im Briefkasten die Einladung zu meinem ersten Vorstellungsgespräch, das gleich am nächsten Tag stattfinden
     sollte.
    Sofort verging mir jeglicher Appetit.
    Ich ging kurz die verfügbare Garderobe durch und schluckte. Bisher hatte ich mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht,
     was ich zum Vorstellungsgespräch anziehen sollte. Jetzt war es ein bisschen spät, denn das schwarze Kostüm, das ich zu Großvaters
     Beerdigung getragen hatte, passte mir nicht mehr. Die Jacke saß viel zu knapp, wäre aber vielleicht noch tragbar gewesen,
     wogegen der Reißverschluss des Rocks sich nicht einen einzigen Zentimeter schließen ließ.
    Ich rief Troll an.
    »Kleb den Reißverschluss mit schwarzem Tape ab«, riet sie mir.
    »Ich habe kein schwarzes Tape«, entgegnete ich. »Außerdem müsste ich mir das Zeug meterweise um die Taille wickeln, damit
     es auch hält, wenn ich mich hinsetze.«
    »Dann geh halt in Jeans, ist doch nicht schlimm. Ein paar peppige Accessoires wirst du ja wohl dazu kombinieren können.«
    »Ich könnte die Kostümjacke dazu tragen, dann sehe ich wenigstens ein bisschen formell aus.«
    »Eine Kostümjacke zur Jeans? In welchem Jahrhundert hast du zuletzt in eine Modezeitschrift geschaut?«
    Ich konnte mich kaum erinnern, jemals in eine Modezeitschriftgeschaut zu haben, und ich bin sicher, dass Troll das an meiner äußeren Erscheinung schon längst erkannt hatte. Ich blätterte
     solche Zeitschriften beim Friseur oder im Wartezimmer des Zahnarztes durch, wenn es, was leider häufig der Fall war, kein
     Gartenmagazin gab. Ich mochte die Zeitschriften nicht, weil sie selten Mode zeigen, die für eine Frau meiner Statur infrage
     kommt. Außerdem fehlten mir sowohl das Geld als auch die Zeit, jede Saison die neuesten Trends mitzumachen. Und die extrem
     ausgefallene Kleidung meiner Kreativkollegen, mit der ich niemals hätte mithalten können, selbst wenn ich es gewollt hätte,
     tötete bei mir jeglichen Drang nach einem eigenen Stil ab. Sie waren die Glitzerfische, ich der Grauwal.
    Es half alles nichts, ich musste in Alltagskleidung zum Bewerbungsgespräch gehen. Alltagskleidung heißt bei mir: Jeans, Pulli,
     flache Schuhe. Keine Accessoires, kein Tuch um den Kopf geschlungen,
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