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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Autoren: Matthias P Gibert
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Waffe darin
starrte, beobachtete, wie die Hand sich noch einmal drehte, bis die Mündung des
Laufes erneut auf ihren Kopf zeigte. Wieder bewegte sich ihr Zeigefinger.
Einmal, zweimal, dreimal, doch es löste sich kein Schuss. Aus dem Augenwinkel
realisierte er, dass Hain auf den Wagen zustürmte, die Fahrertür aufriss, die
Frau aus dem Wagen zerrte, sie auf den Boden warf und nach unten drückte. Dabei
flog ihr die Waffe aus der Hand und landete etwa drei Meter entfernt im Staub
des Hofes.

     

31
    Am
Mittag des übernächsten Tages, dem Montag, waberten dicke Rauchschwaden durch
das kleine Vernehmungszimmer, in dem sich Lenz und Jutta Bade an einem einfachen
Tisch gegenübersaßen. Der Hauptkommissar hatte der Frau das Rauchen gestattet,
obwohl es mittlerweile im gesamten Präsidium verboten war. Sie zündete sich
eine zweite Zigarette an der ersten an und sog den Rauch gierig in ihre Lungen.
Auf anwaltlichen Beistand während der Vernehmung hatte sie ausdrücklich
verzichtet und erklärt, dass sie in jeder Hinsicht kooperationsbereit sei und
bereitwillig aussagen würde. Den Samstag und den Sonntag hatte sie, unter
permanenter Überwachung, auf der Krankenstation der Justizvollzugsanstalt in
Wehlheiden verbracht. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Werner Aumüller,
dem Psychologen der Kasseler Polizei, der grünes Licht gegeben hatte, und einem
medizinischen Check war sie ins Präsidium gebracht worden. Die Frau sah mitgenommen
und blass aus, aber bei Weitem nicht so schlecht, wie der Hauptkommissar es
erwartet hatte. Sie trug eine dunkle Jeans und ein graues T-Shirt, das ihren
blassen Teint noch deutlicher unterstrich. Ihre rechte Hand war eingegipst
wegen eines Bruchs des Kahnbeins, den sie sich beim Sturz aus dem Wagen
zugezogen hatte. Außerdem war ihr Gesicht übersät mit Kratzspuren, ebenfalls
vom Aufschlag nach Hains beherztem Eingreifen.

     
    Lenz
drückte auf den Knopf einer Fernbedienung, sodass im Hintergrund die automatische
Aufzeichnung des Gesprächs startete, klärte das Protokollarische wie Name und
Geburtsdatum, und begann mit der Vernehmung.
    »Frau Bade, Sie wissen,
warum Sie hier sind. Es geht um die Morde an Dieter Bauer, Ruth Liebusch,
Martin Melchers und nicht zuletzt auch um den Mord an Roman Krug.«
    Die zierliche Frau
schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. »Ich habe ihn nicht ermordet. Wir wollten
uns gemeinsam das Leben nehmen.« Sie sprach mit starker mittelhessischer
Färbung im Akzent.
    »Das
wird später ein Gericht zu klären haben. Wir ermitteln zunächst einmal wegen
Mordes, aber natürlich berücksichtigen wir auch alle Tatsachen, die Sie
entlasten könnten.«
    Sie nickte. »Eigentlich
ist es doch egal, oder? Lebenslänglich ist lebenslänglich, ob nun für einen Mord
oder für vier.«
    »Hm«, machte der
Polizist. »Ob es Mord war, Totschlag oder vielleicht Tötung auf Verlangen wird,
wie gesagt, aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Gerichtsverfahren geklärt
werden müssen. Das ist hier und heute nicht unsere Aufgabe.«
    Er zog ein Foto von
Dieter Bauer aus der Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag, drehte es in ihre
Richtung und schob es nach vorne. Es war eines der Polizeifotos, die nach
seiner Ermordung aufgenommen worden waren.
    »Kannten Sie diesen
Mann?«
    Sie nickte.
    »Bitte antworten Sie laut
und deutlich. Ihr Nicken kann das Bandgerät nicht aufzeichnen.«
    »Ja.«
    »In welchem Verhältnis
standen Sie zu ihm?«
    »Er war mein … Erzeuger.«
    »Sie meinen, er war Ihr
Vater?«
    Sie funkelte den
Polizisten an. »Nein, das meine ich nicht. Dieser Mann war nie mein Vater, ist
es nicht und wird es auch nie werden. Er hat meine Mutter vergewaltigt und
geschwängert, und deshalb würde ich ihn nie als meinen Vater bezeichnen.
Niemals.«
    »Gut«, ging Lenz einen
Schritt auf sie zu, »bezeichnen wir ihn als Ihren ›Erzeuger‹. Wann haben Sie
ihn kennengelernt?«
    »Vor einem halben Jahr
ungefähr.«
    »Wie kam es dazu?«
    »Mein Bruder war sehr
krank. Er brauchte dringend eine Knochenmarkspende.« Sie deutete auf das Bild
von Dieter Bauer auf dem Tisch. »Deshalb habe ich ihn angerufen.«
    »Sie wussten zu diesem
Zeitpunkt schon, dass er Ihr Va …, Entschuldigung, Ihr Erzeuger ist?«
    Wieder nickte sie.
    »Bitte antworten Sie auf
meine Frage.«
    »Ja, das wusste ich.«
    »Von wem haben Sie es
erfahren?«
    »Von Roman.«
    »Ihrem anderen Bruder.«
    Sie sah auf den Boden,
nickte, und holte mit
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