Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Autoren: Matthias P Gibert
Vom Netzwerk:
dir,
Thilo?«, fragte sein Boss irritiert.
    »Psst«, machte der
Oberkommissar, drängte sich ein wenig enger an die Hauswand und starrte auf
einen der Wagen, der auf dem Innenhof parkte. »Da drüben, in dem roten Corsa.
Ich bin sicher, dass ich eben dort eine Bewegung gesehen habe.«
    Lenz entzifferte das
Kennzeichen des Opels. »Nein, Thilo, der hat kein Kasseler Kennzeichen, weder
Stadt noch Land. Das können sie nicht sein.«
    »Mensch,
schau doch hin! Die Karre hat GI, also ein Gießener Nummernschild. Die Tante,
das geschenkte Auto!«
    »Verdammt«, murmelte der
Hauptkommissar. »Und was machen wir jetzt?«
    Hain sah erneut zu dem
Wagen, in dem jetzt für einen Augenblick eine Person sichtbar wurde. Jutta
Bade.
    »Ist sie das?«, wollte
Lenz, der die Frau ja nie gesehen hatte, aufgeregt wissen.
    Hain nickte. Im Innenraum
des Wagens wurde Zigarettenqualm sichtbar, der langsam durch die einen Spalt
geöffnete Beifahrerscheibe entwich.
    »Sie ist es. Es sieht
aus, als hätten sie im Auto geschlafen.«
    In diesem Moment wurde
der Motor des Corsa gestartet. Lenz und Hain sahen sich an und liefen los, doch
im gleichen Moment erstarb der Motor wieder.
    »Scheiße«, murmelte der Hauptkommissar
und blieb stehen, doch es war zu spät. Hinter der Windschutzscheibe wurden die
Polizisten völlig verdutzt von Jutta Bade und Roman Krug angestarrt. Lenz
setzte sich erneut in Bewegung und ging auf den Corsa zu.
    »Paul!«, zischte Hain,
»bleib hier!«
    Doch sein Chef ließ sich
nicht irritieren. Langsam, mit bedächtigen Schritten, näherte er sich den
beiden Kindern von Petra Soffron und Dieter Bauer. Etwa 15 Meter von dem Corsa
entfernt blieb er stehen, hob die Arme, und begann, mit völlig ruhiger Stimme
zu sprechen. »Machen Sie keinen Blödsinn, Frau Bade und Herr Krug. Wir wissen,
wer Sie sind, und was Sie getan haben. Kommen Sie einfach mit erhobenen Händen
aus dem Auto heraus.«
    Der Polizist hörte, wie
Hain im Hintergrund telefonierte. Offenbar forderte er Verstärkung an. Roman
Krug und Jutta Bade saßen noch immer wie festgenagelt und starrten ihn an. Dann
hob die Frau den linken Arm und winkte Lenz heran. Während sie das tat, hob
sich langsam ihr rechter Arm und eine große, klobige Pistole wurde sichtbar,
die in ihrer kleinen Hand noch um einiges riesiger wirkte. Sie bewegte den Arm
so weit nach oben, bis der Lauf der Waffe direkt auf Roman Krugs Schläfe
zeigte.
    »Nein«, schrie Lenz und
spurtete los. Als er noch etwa zwei Meter von der Beifahrertür entfernt war,
sah er, dass sich die beiden an den Händen hielten. Krug sah völlig entspannt
aus. Glücklich sogar. Er drehte den Kopf, bis seine Augen direkt in die von
Jutta Bade sehen konnten, beugte sich nach vorne, und küsste seine Schwester
innig auf den Mund, die den Kuss mit offenen Augen, die Lenz fixierten,
erwiderte. Dann lächelte er sie an, lehnte sich zurück, nickte, schloss die
Augen, und drehte den Kopf wieder in Lenz’ Richtung.

     
    Die
Explosion der Patrone war unglaublich laut. Das Projektil verließ den Lauf,
drang in den Kopf von Roman Krug ein, riss beim Austritt einen Teil seines
Gehirns mit, der sich für einen winzigen Augenblick auf der Seitenscheibe
niederschlug, die jedoch durch die sich noch immer mit großer Geschwindigkeit
bewegende Kugel durchschlagen und in Millionen von Glassplittern zerfetzt
wurde. Dieser zerstörerische Lauf endete abrupt im Motorblock einer etwa fünf
Meter entfernt geparkten BMW-Limousine. Lenz sah, wie der Körper des Mannes im
Corsa nach rechts und im gleichen Sekundenbruchteil zurück geschleudert wurde,
und noch bevor er nach vorn gesunken und zusammengesackt war, hatte die Frau
neben ihm die Hand mit der Waffe darin gedreht und gegen ihre rechte Schläfe
gerichtet. Der Hauptkommissar glaubte, sie lachen zu hören, doch wegen des
Knalltraumas, das sein Innenohr außer Gefecht gesetzt hatte, war das mehr eine
Vision, zumal sich auch ihre Lippen nicht bewegten. Für den Bruchteil einer
Sekunde hatte er das Gefühl, in eine antike Tragödie versetzt worden zu sein.
Dann sah er, dass sich der Zeigefinger der Frau wie in Zeitlupe dem Abzug
näherte, ihn erreichte, ein wenig weiter nach hinten drückte, weiter drückte,
und schließlich durchzog. Instinktiv hob der Polizist die Arme und bedeckte mit
den Handinnenflächen die Ohren, doch es gab keinen Knall. Er nahm wahr, dass
Jutta Bade ihre Hand schwang, sah, dass sie wie entgeistert auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher