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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes
Autoren: Greg Bear
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und fielen nicht auf die Oberfläche zurück, sondern zogen glühende Bahnen um den heimgesuchten Planeten.
    Fünfundzwanzig Minuten waren vergangen. Arthurs Beine schmerzten, und seine Kleidung war von Schweiß getränkt. Der Raum füllte sich mit einem schrecklichen animalischen Gestank von Angst und Kummer und stummer Qual.
    Praktisch jeder, den er gekannt hatte, war jetzt tot, ihre Körper verloren in der allgemeinen Apokalypse. Jeder Ort, wo er einmal gewesen war, alle seine Aufzeichnungen und die Familienpapiere, alle Kinder, mit denen Marty aufgewachsen war. Alle Menschen in der Arche waren ins Nichts getrieben worden. Er konnte deutlich die Trennung und den jähen Verlust empfinden, als ob er schon immer die Präsenz von Menschen um sich empfunden hätte, eine psychische Verbindung, die nicht mehr existierte.
    Die strahlenden Wege und Kanäle der zum Vorschein gekommenen plasmatischen Energiesphäre erstreckten sich jetzt über Tausende von Kilometern und wölbten die geschmolzene und verdampfte Substanz der Erde nach außen zu einem rohen Ovoid, dessen Längsachse rechtwinklig zur Rotationsachse stand. Von den Spitzen des Ovoides wurden riesige Kugeln aus Silizium, Nickel und Eisen weggesprüht.
    Vor dem beherrschenden Licht des Plasmas warfen die verkrümmten Reste des Mantels und komprimierte Streifen des Kerns lange Schatten in den erdnahen Raum durch die expandierende staubige Wolke aus Dampf und kleineren Trümmern. Der Planet glich einer Laterne im Nebel, die fast unerträglich hell war. Unerbittlich stieß das Plasma-Ovoid alles nach außen; es verdünnte, zerblies und verminderte alles, was übrig geblieben war, und zerstreute es vor einem unwiderstehlichen Wind aus Elementarteilchen und Licht.
    Zwei Stunden. Er blickte auf die Uhr. Der Mond schien durch den Dampfnebel, zweihunderttausend Kilometer entfernt und anscheinend unbetroffen. Aber seine Gezeitenschwellungen würden nachlassen, und obwohl die Gestalt des Mondes im Laufe von Äonen der Abkühlung erstarrt war, glaubte Arthur, daß die Entspannung beim geringsten Anlaß heftige Mondbeben auslösen würde.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der sterbenden Erde zu. Das Plasmaleuchten war etwas schwächer geworden. Einzelne ätherische Stellen von rosa, orange und blaugrauer Farbe gaben ihm ein perlartiges Aussehen, wie die Plastikkugel eines Kindes, wenn sie von innen beleuchtet wird. Der Durchmesser des Plasmaovoids und der Trümmernebel hatte sich inzwischen auf fast fünfzigtausend Kilometer ausgedehnt. Das Ovoid wurde immer noch länger und verbreiterte den neuen Asteroidengürtel zu stumpfen Ansätzen eines Bogens.
    Das durchsichtige Paneel wurde gnädigerweise matt.
    Wie von Marionettenschnüren befreit brach die volle Hälfte der Zeugen auf dem Boden zusammen. Arthur packte Francine und ergriff Marty an der Schulter, unfähig zu sprechen. Dann begab er sich unter seine Genossen, um zu sehen, was man tun konnte, um ihnen zu helfen.
    Der kupferfarbene Roboter erschien am Ende der Kabine und schwebte nach vorn. Hinter ihm kamen weitere Dutzende Überlebender mit Platten und Krügen voll Wasser, Speisen und Medikamenten.
    Es ist das Gesetz.
    Diese Worte hallten immer und immer wieder durch Arthurs Gedanken, als er half, die Hingefallenen wieder zu beleben.
    Es ist das Gesetz.
    Marty blieb an seiner Seite und kniete neben ihm, als er den Kopf einer jungen Frau anhob und ihr eine Metalltasse mit Wasser an die Lippen hielt.
    »Vater«, sagte der Junge, »wohin gehen wir jetzt?«

 
     
     
Agnus Dei

 
    Das Kind, von Wölfen verfolgt, beruhigt sich im Walde; und die lange Dunkelheit ist erfüllt von ungestörter Stille.

 
PERSPEKTIVE
     
    New Mars Gazette, 21. Dezember 2397; editorial von Francine Gordon:
    Die Titelseite der heutigen Ausgabe ist gefüllt mit Nachrichten aus der Zentral-Arche. Vierhundert mehr von uns, zumeist aus den eurasiatischen Archen, sind aus dem Tiefschlaf wiederbelebt und für die Ankunft auf New Mars von den Muttis vorbereitet worden. (Erinnert sich noch jemand daran, wer die Roboter als erster ›Muttis‹ genannt hat? Das war Reuben Bordes, damals neunzehn Jahre alt, vor acht Jahren wieder belebt und jetzt auf der Erkundungsmission nach New Venus.) Unsere Bevölkerung hat heute die Zahl von 12.250 erreicht. Die Muttis sagen, daß wir uns gut machen; und ich glaube ihnen.
    New Mars feiert heute das erste Jahr der Autonomie. Die Muttis üben nicht mehr das aus, was mein Gatte als ›Autorität von
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