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Schmetterlinge im Gepaeck

Schmetterlinge im Gepaeck

Titel: Schmetterlinge im Gepaeck
Autoren: Stephanie Perkins
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Sie sagen, dass es eine Schande sei, wenn jemand mit so viel natürlicher Begabung immer wieder Aussetzer habe. Sie kritisieren ihre ständigen Trainerwechsel und machen eine kühne Aussage über ein törichtes Streben nach Perfektion. Wir buhen den Fernseher aus. Mir tut Calliope wieder einmal leid, weil sie mit dieser ständigen Kritik leben muss. Andererseits bewundere ich sie auch dafür, dass sie trotzdem immer weitermacht. Kein Wunder, dass sie so eine harte Schale um sich herum aufgebaut hat.
    Ich sehne mich danach, dass die Kamera ihre Familie zeigt, was sie beim Kurzprogramm KEIN EINZIGES MAL gemacht hat. Sollte ein Zwilling nicht erwähnenswert sein? Gestern habe ich ihn angerufen, weil er immer noch zu schüchtern ist, um mich anzurufen. Er war verständlicherweise angespannt, aber immerhin habe ich ihn zum Lachen gebracht. Und dann hat er mich dazu gebracht, Norah für heute einzuladen.
    Â»Sie gehört doch zur Familie«, hat er gesagt. »Du solltest sie ermutigen, wann immer es geht. Die Menschen geben sich mehr Mühe, wenn sie wissen, dass sie jemandem etwas bedeuten.«
    Â»Cricket Bell.« Ich habe in mein Handy gelächelt. »Wie bist du bloß so weise geworden?«
    Er hat wieder gelacht. »Durch stundenlange Beobachtungen in der eigenen Familie.«
    Und dann, als hätte mich der Kameramann gehört, zeigen sie … IHN . Er ist es! Cricket trägt einen grauen Wollmantel und hat einen gestreiften Schal locker um den Hals geschlungen. Seine Haare sind schneebedeckt und seine Wangen glühen. Anscheinend ist er gerade erst in der Arena angekommen. Er ist der Winter in Person. Und das Schönste, was ich je gesehen habe.
    Die Kamera schwenkt auf Calliope, und ich muss mir auf die Zunge beißen, damit ich nicht den Fernseher anbrülle, dass sie wieder Cricket zeigen sollen. Petro nimmt eine von Calliopes geballten Händen, schüttelt sie sanft, und dann gleitet sie unter dem Tosen tausender jubelnder, Fähnchen schwenkender Zuschauer auf das Eis. In Erwartung ihres Gesichtsausdrucks, den die Kamera jede Sekunde einfangen muss, halten wir alle den Atem an.
    Â»Siehe da«, sagt der männliche Kommentator. »Calliope Bell ist hier, um zu kämpfen!«
    Man erkennt es an ihrem feurigen Blick und ihrer selbstsicheren Haltung, während sie darauf wartet, dass die Musik einsetzt. Ihre Haut ist blass, die Lippen rot und das dunkle Haar zu einem eleganten Twist aufgesteckt. Sie sieht umwerfend und grimmig aus. Die Musik beginnt und Calliope geht in der romantischen Stimmung auf und wird zum Lied. Calliope ist Julia.
    Â»Sie beginnt mit einem dreifachen Lutz/doppelten Toeloop«, erklärt die Kommentatorin. »Dabei ist sie letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft gestürzt …«
    Sie schafft ihn.
    Â»Jetzt kommt der Dreifach-Salchow … Sehen Sie, wie sie sich vorbeugt, schauen wir mal, ob sie genug Höhe bekommt, um die Rotation zu vollenden …«
    Sie schafft ihn.
    Die Kommentatoren verfallen in gebanntes Schweigen. Calliope landet die Sprünge nicht nur, sie zelebriert sie. Ihr Körper bebt vor Anspannung und Leidenschaft. Ich bin mir sicher, dass junge Mädchen in ganz Amerika davon träumen – so wie ich einmal –, eines Tages so zu werden wie sie. Eine herrliche Spiralfolge führt zu einer überwältigenden Pirouettenkombination. Und kurz darauf schlägt Calliope triumphierend mit den Fäusten in die Luft und dann ist es vorbei.
    Eine einwandfreie Kür.
    Die Kamera fährt über die jubelnde Menge und dann zu ihrer Familie. Calliopes Eltern umarmen sich lachend und weinend. Und neben ihnen johlt Calliopes Zwilling mit den wirren Haaren, so laut er kann. Mein Herz macht Freudensprünge. Die Kamera kehrt zu Calliope zurück, die jauchzend mit der Faust in die Luft schlägt.
    Die Kommentatoren lachen. »Ausgezeichnet«, sagt der Mann. »Ihre Positionen, ihre Streckungen. Wenn sie gut drauf ist, ist sie wirklich unvergleichlich.«
    Â»Ja, aber reicht das aus, um ihr katastrophales Kurzprogramm wettzumachen?«
    Â»Tja, der Fluch bleibt. Sie kriegt keine zwei sauberen Programme hintereinander hin. Aber was für eine Wiedergutmachung – Calliope kann stolz auf sich sein. Das war ihre bisher beste Leistung.«
    Sie zieht die Kufenschoner über und geht zur Tränenecke – der passende Spitzname für den Bereich, wo die Noten bekanntgegeben werden. Die Leute
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