Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
tollen Weste und dich in deiner aufreizenden Jeans entdeckt,
lädt sie uns glatt zu sich nach Hause ein. Und was sie dort mit uns anstellt,
will ich mir nicht ausmalen.«
    »Klingt interessant. Hoffentlich sehen wir sie noch. Dann
möchte ich vorgestellt werden, hörst du?«
    »Das würde deinem Harald aber gar nicht gefallen.«
    »Harald? Leck mich.« Sie machte eine Handbewegung, als müsse
sie etwas sehr, sehr Lästiges loswerden. Und dann schwieg sie, bis wir den Sekt
in Empfang nahmen. Schön; brauchte ich mir den Namen dieses Versagers also auch
nicht länger zu merken.
    »Prost«, sagte ich und stieß mit ihr an.
    »Prost«, brummte sie.
    »Was hältst du eigentlich von Frauen wie der da?« Ich zeigte
auf eine Besucherin mit dunkelblondem, halblangem Haar, fein ziselierten Brauen
und kirschroten Lippen. An ihrer Seite ein Mann in mittleren Jahren: kantiger
Schädel, kantige Schultern, randlose Brille, Riesenmund.
    »Ist sie das? Deine Kartenspenderin?«
    »Nein. Eine Rechtsanwältin aus der Weststadt. Mit unbekanntem
Partner. Also, was denkst du?«
    »Was ich denke?« Meine Ex-Frau nahm einen Schluck Sekt und
spitzte angriffslustig die Lippen. »Ich würde sagen, sie hat die Figur, die ich
gerne hätte, das Kostüm, das ich mir nicht leisten kann, und …«
    »Ja?«, fragte ich, weil sie eine wohldosierte Pause einlegte.
    »… und den Begleiter, den ich mir schon immer gewünscht
habe.«
    »Hör auf!«, entfuhr es mir. Christine bekam einen Lachkrampf.
Cordula Glaßbrenner wurde von dem Kastenmann zu einem anderen Pärchen
geschoben, wo eine gestenreiche Unterhaltung begann.
    »Was ist los?«, wollte meine Ex-Frau wissen, sobald sie
wieder bei Atem war. »Kennst du sie? Gefällt sie dir?«
    »Schau dir nur an, wie ihr der Typ in den Ausschnitt starrt.
Dem fällt doch gleich das Gebiss hinterher.«
    Christine trat einen Schritt zurück und musterte mich aus der
Distanz. »Interessant«, sagte sie. »Interessant, auf was du neuerdings stehst.
Du, wenn ich ein bisschen spare, kann ich mir ihr Kostüm vielleicht doch
leisten.«
    »Und ich? Soll ich so werden wie ihr Macker?«
    »Das ist nicht ihr Macker. Das ist der Inhaber von
Heidelbergs größtem Möbelgeschäft, und dessen Frau geht noch seltener in die
Oper als du. Weshalb er sich gerne mit den Erfolgreichen der Stadt sehen lässt.
Mit den erfolgreichen Damen, wohlgemerkt.«
    »Möbel? Das passt. Ein Vollholzidiot.«
    Sie schwieg.
    »Bei Ikea gibts Schränke, die sehen intelligenter aus als der
da.« Weil sie immer noch nichts sagte, folgte ich ihrem Blick. Er war an einem
weiteren Pärchen hängengeblieben, das sich lachend einen Weg durch die Menge
bahnte. Ihn hatte ich irgendwo schon einmal gesehen. Oder gesprochen? Oder von
ihm gehört?
    »Harald«, murmelte Christine und drehte sich weg.
    »Wer? Der Dicke mit der supergeilen Blonden im Arm?«
    »Quatsch!« Sie sah kurz über die Schulter. »Verarsch mich
nicht, Max. Du kennst ihn doch. Der bärtige Typ mit Fliege.«
    »Aber auch dessen Anhang ist nicht zu verachten. Seine Frau?«
    »Von wegen. Nie gesehen, das Weib.« Wütend kippte sie ihren
Sekt hinunter.
    Nun, schlecht sah Haralds
Begleitung wirklich nicht aus. Sie war jung, schlank, beweglich, und wenn sie
nicht gar so große Zähne und nicht gar so langes Haar gehabt hätte, hätte man
sie auch nicht mit einer Stute verwechselt. Aber Harald war ja ein Sportsmann,
der hatte sicher nichts gegen einen Ausritt. Er selbst war zur Feier des Tages
in ein biederes Sakko geschlüpft, dafür hatte sein Dreitagebart etwas
Verwegenes. Und so ging es weiter, den ganzen fröhlichen Harald entlang: dröge die
Fliege, aber fesch die Jeans, unten Großvaterschuhe, oben die Nickelbrille des
Intellektuellen. Typisch. Harald wusste nicht, wofür er sich entscheiden
sollte, für das Heimchen am Herd oder für die wiehernde Jugend an seiner Seite.
    »So ein Arschloch«, murmelte Christine und starrte in ihr
leeres Glas.
    »Hast du mir bei unserem letzten Treffen nicht erzählt, es
würde eh nichts mit Harald? Von wegen zurück zu Mutti und so.«
    »Ja, natürlich. Und jetzt? Läuft das gleiche Spielchen mit
einer anderen Dummen ab. Das kotzt mich an, verstehst du das?«
    Ich sah den beiden nach, wie sie eng umschlungen in der Menge
verschwanden. Die junge Frau schüttelte ihre Mähne und rieb ihren Hintern an
Haralds Hüfte. Sie brauchte Auslauf, das sah man sofort.
    »Du wirst doch kein Mitleid mit der Tussi haben?«
    »Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher