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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen
Autoren: John Verdon
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schneller.
    »Man benimmt sich wie sie.«
    »Man hält sich genau an seine Rolle.«
    »Konsequenz. Man muss auf jeden Fall bei der eigenen Tarnidentität bleiben.«
    »An die Identität glauben. Glauben, dass man der ist, als der man sich ausgibt.«
    »Cool bleiben, immer cool und locker. Keine Angst zeigen.«
    »Mut.«
    »Mumm.«
    »An die eigene Wahrheit glauben, Mann. Ich bin, der ich bin. Unbesiegbar. Unberührbar. Leg dich bloß nicht mit mir an.«
    »Ja, die müssen glauben, dass man Al Pacino ist.« Statt wie erhofft einen Lacher zu erzielen, brachte Falcone mit seiner Bemerkung nur die Gruppendynamik ins Stocken.
    Gurney ignorierte ihn und wandte sich fragend der Lateinamerikanerin zu.
    Sie zögerte. »Man muss ihnen Leidenschaft zeigen.«
    Ihre Bemerkung sorgte für vereinzelte Heiterkeitsausbrüche, Falcone grinste anzüglich.
    »Werdet mal erwachsen, ihr Idioten«, bemerkte sie ruhig. »Was ich meine, ist, man muss ihnen was Echtes von sich zeigen. Etwas, das sie spüren können und von dem sie instinktiv wissen, dass es stimmt. Es darf nicht alles Quatsch sein.«
    In Gurney regte sich angenehme Begeisterung – seine typische Reaktion, wenn er in einem Seminar auf einen Star stieß. Diese Erfahrung war es, die ihn in seinem Entschluss bestätigte, weiter als Gastdozent tätig zu sein.
    »Es darf nicht alles Quatsch sein.« Er erhob die Stimme, damit ihn alle hörten. »Sehr wahr. Authentische Emotionen – glaubwürdige Leidenschaft – sind wesentlich für eine wirksame Täuschung. Ihre Tarnung muss auf Emotionen beruhen, die wirklich Ihre eigenen sind. Sonst ist alles nur Pose, Nachahmung, Fälschung, Quatsch. Und oberflächlicher Quatsch funktioniert nur selten. Oberflächlicher Quatsch führt dazu, dass verdeckte Ermittler ins Gras beißen.«
    Rasch ließ er den Blick über die neununddreißig Gesichter fliegen und stellte fest, dass ihm mindestens fünfunddreißig an den Lippen hingen. »Es geht also um Vertrauen. Glaubwürdigkeit. Je mehr die Zielperson an Sie glaubt, desto mehr können Sie aus ihr rausholen. Und wie viel Vertrauen Ihnen entgegengebracht wird, hängt zu einem großen Teil von Ihrer Fähigkeit ab, echte Gefühle in Ihre künstliche Rolle fließen zu lassen und sie mit einem wahren Teil von sich selbst zum Leben zu erwecken – Verärgerung, Raserei, Gier, Lust, Ekel, was der Augenblick gerade verlangt.«
    Er wandte sich ab, scheinbar nur um ein altes Videoband in einen Player unter einem großen Bildschirm an der Wand einzulegen und alle Anschlüsse zu überprüfen. Doch als er sich wieder umdrehte, überrumpelte er mit seiner neuen Rolle – der Körperhaltung und den Bewegungen eines Mannes, der nur mit Mühe einen vulkanartigen Zornesausbruch unter Kontrolle hielt – die geschockten Seminarteilnehmer.
    »Wenn ihr wollt, dass euch so ein durchgeknallter Scheißer eure Show abkauft, dann kramt lieber was Krankes aus euch raus, damit er kapiert, dass tief in euch drinnen ein noch durchgeknallterer Scheißer sitzt, der eines Tages irgend so einem Scheißer das Herz rausreißen, es durchkauen und ihm in sein Arschgesicht spucken wird. Aber fürs Erste habt ihr den räudigen Köter in euch noch im Zaum. Gerade noch!« Mit einem plötzlichen Schritt trat er auf die erste Reihe zu und konstatierte zufrieden, dass alle – auch Falcone, und vor allem Falcone – zurückfuhren und eine abwehrende Haltung annahmen.
    »Also gut.« Mit einem beruhigenden Lächeln kehrte Gurney zu seinem normalen Benehmen zurück. »Das war nur ein kleines Beispiel für die emotionale Seite. Glaubwürdige Leidenschaft. Die meisten von ihnen haben aus dem Bauch heraus auf diesen Zorn und Wahnsinn reagiert. Ihr erster Gedanke war, dass dieser Gurney eine Schraube locker hat. Richtig?«
    Einige nickten, andere lachten nervös, und die Körpersprache ließ wieder mehr Entspannung erkennen.
    »Und was wollen Sie uns damit sagen?« Falcone wirkte gereizt. »Dass irgendwo in Ihnen ein Irrer lauert?«
    »Diese Frage möchte ich erst mal offenlassen.«
    Wieder wurde gelacht, freundlicher diesmal.
    »Tatsache ist, dass es in jedem von uns mehr Scheiße, wirklich gemeine Scheiße gibt, als uns klar ist. Lassen Sie diese Potenzial nicht verkümmern. Spüren Sie es auf und nutzen Sie es. Bei einer Tarnoperation kann die Scheiße in Ihnen, mit der Sie sich normalerweise nicht auseinandersetzen wollen, zu Ihrem größten Trumpf werden. Zum vergrabenen Schatz, der Ihnen das Leben rettet.«
    Ohne Weiteres hätte er Ihnen
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