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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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schmutzige Stroh. Sie öffnete leise die Stalltür. Über ihr war der Himmel so klar, dass die Sterne in allen Größen zu erkennen waren. Es roch nach Erde und fauligem Laub. Vor ihr lag der abschüssige Pfad, der bis zur Hohl und weiter ins Tal hinunter führte. Ihre Beine begannen zu zittern. Sie schlich zurück in die Hütte, legte sich in der Küche auf das Stroh und zog die Beine eng an ihren Körper.
    Am Morgen schimpfte die Mutter, als sie den Alten im Stall fand. Aber dann half sie Irma doch, das vom Hühnerdreck verschmierte Nachtkleid im Zuber zu waschen.
Ein Colloquium im Taunus (August 1968)
    Gellmann dachte, er brauche nur abzuwarten. Wenn niemand mehr einen Platz frei hatte, musste Vahlen ihn wohl oder übel mitnehmen. Auch wenn der auf seine Freundin aufpasste wie ein Luchs. Hella von Nesselhahn war es schließlich wert. Schon ihr Name sorgte bei Gellmann für Gänsehaut. Ihre Art, sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, das etwas harte Kinn – mit Sicherheitwar er nicht der einzige, der den Blick nicht von ihr lassen konnte. Anders als bei den meisten Frauen, die mit den Autoren herumfuhren, hatte er von Hella noch nie eine Geschichte gehört. Aber irgendwann, dachte Gellmann, würde Vahlen sich doch einmal für eine andere interessieren und abgelenkt sein.
    Die Türen der letzten Wagen schlugen zu. Seeler und Kolpers waren bei Pfaff eingestiegen und wollten während der Fahrt an der Resolution feilen. Gellmann war froh, damit nichts zu tun zu haben. Nach drei Tagen Diskussion und Revolution hatte er genug. Betont langsam schlenderte er zu dem weißen VW herüber, in den Vahlen gerade eine Tasche lud.
    Pelzers Opel Kadett, mit dem Gellmann in den Taunus gekommen war, hielt neben ihm an. Barbara beugte sich über die heruntergekurbelte Scheibe des Beifahrersitzes und rief in laszivem Tonfall, er solle aufpassen, dass er »nicht zu früh komme«. Sein Interesse für Hella war also nicht unbemerkt geblieben. Umso besser, dachte Gellmann. Er spielte gern mit offenen Karten.
    Â»Sag mal, Vahlen, ihr habt doch nichts dagegen, mich mitzunehmen?«
    Vahlen sah ihn an. Während der gesamten Tagung hatte er kaum etwas gesagt. Gellmann hatte ihn beobachtet, wie er sich mit den Veranstaltern unterhalten hatte, mit einem Verleger aus Köln, der gerade selbst einen Roman veröffentlicht hatte. Aus den politischen Gesprächen hatte Vahlen sich herausgehalten, was Gellmann ungewöhnlich erschien.
    Peter Vahlen war inzwischen einer der unbestrittenen Anführer der Debatte um die politische Wirksamkeit von Literatur. Gellmann und auch Pelzer und Seeler waren viel länger dabei und hatten sicher mehr Praxis zu bieten. Aber Vahlens Gedichte ließen die Frauen dahinschmelzen, und auch einen Großteil der Männer machten sie ganz weich. Seine politische Lyrik war besser als die der meisten anderen. Obwohl das deshalb für Gellmann noch lange nichts mit Revolution zu tun hatte. Überhaupt hielt er das Theater nach wie vor für die beste Methode, um die Menschen aufzurütteln.
    Â»Mann, habt ihr viel Gepäck«, versuchte Gellmann es mit Hella, die bereits auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.
    Â»Wir fahren noch woanders hin«, sagte Vahlen, ohne aufzusehen, während er eine Tasche in den hinteren Fußraum drückte.
    Â»Das macht nichts«, antwortete Gellmann. »Ich hab eine frische Unterhose dabei und nichts weiter vor.«
    Â»Wir haben was Wichtiges zu erledigen«, sagte Vahlen.
    Â»Komm schon, die anderen sind alle weg. Ihr werdet mich doch hier nicht alleine sitzen lassen?«
    Â»Wir können dich zum Bahnhof in Koblenz mitnehmen, wenn es nicht anders geht.«
    Gellmann blickte sich um. Nur Pfaff, in dessen Auto bereits fünf Leute saßen, ruckelte noch an seinem Rückspiegel herum. Alle anderen waren schon weggefahren. Mit dem Pedanten könnte er es keine acht Stunden im Auto aushalten, dachte Gellmann. Er drehte sich wieder zu Vahlen. »Koblenz? Das ist echt große Scheiße, Mann.«
    Â»Du hättest dich eben früher um die Rückfahrt kümmern müssen.«
    Am liebsten hätte Gellmann ihm eine runtergehauen. Er verstand wirklich nicht, was die Leute an diesem Klugscheißer mochten. Aber mit einem Seitenblick auf Hella dachte er, die Rache kommt noch, du kleiner Spießbürger. Noch bist du mich nicht los. Er zuckte mit den Schultern und sagte: »Also los,
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