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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt
Autoren: Martin Clauß
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ankamen, hielt ihnen der Archäologe schon die Tür auf – und erschrak sichtlich über Giulias Anwesenheit. Bei seinem Blick durch das winzige Fensterchen musste er die zierliche Frau glatt übersehen haben.
    „Richtig, du sagtest ja, du würdest jemanden mitbringen. Willkommen! Ich bin so zerstreut. Entschuldigt bitte!“
    „Viel Arbeit?“, erkundigte sich Salvatore, während Stefane seiner Begleiterin die Hand schüttelte.
    „Äh, nein, in Arbeit ertrinken wir nicht gerade. Es ist etwas anderes, was mich Nerven kostet, und … ach was, jetzt kommt erst mal rein in die gute Stube! Da müssten noch irgendwo zwei Sitzgelegenheiten aufzutreiben sein.“
    Bevor Stefane die Tür hinter ihnen schließen konnte, schickte Salvatore noch einen Blick nach draußen. „Es wird ziemlich bald anfangen zu regnen, oder?“
    „Möglich“, entgegnete der Archäologe. „Obwohl man das hier nie genau sagen kann. Manchmal zieht zwei Tage lang ein Unwetter über deinem Kopf herum, und am dritten Tag ist es verschwunden, ohne dass auch nur ein Tropfen gefallen ist. Dann wieder kommt es ganz plötzlich über die Berge wie Hannibal mit seinen Elefanten.“
    Salvatore schmunzelte über den Vergleich. Auch er hatte auf der Fahrt hierher kurz an den Feldherrn aus Karthago denken müssen, der im dritten vorchristlichen Jahrhundert die Pyrenäen überquert hatte. Der war wohl auch nicht nur mit Sonnenschein gesegnet gewesen.
    Jetzt drehte sich Stefanes Kollege auf dem knarrenden Stuhl um. Was Salvatore durch das angelaufene Fenster gesehen hatte, war noch gar nichts gewesen. Dieser Mann war unförmig, ein Berg aus Fett. Sein Rumpf hing zu beiden Seiten des schmalen Stuhls herab, und sein Gesicht schien direkt aus einem Fleischkegel herauszuwachsen, den man nur mit viel Fantasie noch in Hals und Kopf trennen konnte. Seine Augen waren himmelblau, sein Mund breit und feucht, und seine langen dichten blonden Haare wirkten wie die Perücke eines Heldentenors. Vermutlich war er einige Jahre älter als sein Kollege, doch das war schwer zu entscheiden. Die beiden ließen sich einfach nicht miteinander vergleichen, waren so gegensätzlich wie ein Komikerpaar.
    „Das ist Marcel“, stellte Stefane vor. „Er kommt aus Lyon, aber keine Angst, er spricht hervorragend Italienisch.“
    Marcel sagte etwas, das tatsächlich einen italienischen Klang hatte. Mehr aber noch erinnerte es an ein sumpfiges Blubbern – oder ein kontrolliertes Rülpsen. Die beiden Besucher nahmen an, dass es sich um eine Art Begrüßung handelte, und antworteten tapfer mit „Ciao, Marcel!“.
    „Hey“, machte Stefane. „Die meisten Leute brauchen eine Weile, um sich an seine Aussprache zu gewöhnen. Ihr seid gut, bravissimo!“ Der Koloss grinste freundlich, während sein knochiger Kollege zwei Klappstühle anschleppte. Es war nicht einfach, in der überladenen Hütte einen Platz für sie zu finden. Giulia achtete darauf, dass zwischen ihren und Salvatores Stuhl kein Blatt Papier mehr passte. Als Salvatore sich niederließ, spürte er, wie das Sitzmöbel ein Stück nachgab. Er sah, dass der Stuhl notdürftig mit einer Schnur geflickt war. Ihm entging auch Marcels gespannter Blick nicht. Bestimmt hatte der schwergewichtige Archäologe schon einschlägige Erfahrungen mit dieser Sitzgelegenheit gesammelt.
    Die Neigung der Hütte war deutlich spürbar. Es zog einen nach links, und die Balken, mit denen der Kasten gestützt wurde, krachten bei jedem Windstoß und bei jedem Schritt, den man im Inneren ging. Wie konnte man konzentriert arbeiten, wenn man jeden Augenblick fürchten musste, den Hang hinab zu rutschen?
    Man konnte sehen, dass unterschiedliche Gegenmaßnahmen ergriffen worden waren: An Stifte hatte man Pappstreifen geklebt, damit sie nicht davonrollen konnten; Bücher, die man normalerweise aufgestapelt hätte, legte man schräg nebeneinander, was das Chaos nicht eben verringerte. Der PC und sein Monitor waren mit breiten braunen Klebestreifen am Tisch befestigt.
    Die Hauptmaßnahme schien es aber zu sein, Marcels Arbeitsplatz in der höher gelegenen Seite einzurichten. Damit sollte wohl verhindert werden, dass die Hütte über den Hügel hinabkippte …
    Man durfte nur nicht den Fehler machen, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn Marcels Stuhl unter ihm zusammenbrach. Würde der Koloss durch den Raum rollen und die drei anderen zerquetschen?
    „Ich habe dich doch nicht von etwas abgehalten?“, fragte Stefane. „Du kannst dich ein paar Tage freimachen,
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