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Schlaflos

Schlaflos

Titel: Schlaflos
Autoren: Monika Bender
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Widerstand
entgegen. Sie spürte die Sterblichen, die sich in den Kneipen und Striplokalen
amüsierten. Das war es nicht, was sie suchte.
    Gegen ihren Willen erinnerten die Musik und die Menschen sie
an eine lang vergangene Zeit, die ihr heute wie ein Traum erschien. Ein Traum,
der nicht lange vorgehalten hatte. Aber wann taten Träume das schon?
    Nach ihrer Wandlung hatte Bastien sie ausgebildet. Gemeinsam
waren sie durch Nachtklubs und Spielhöllen gezogen, hatten sich im bunten
Treiben des Nachtlebens verloren und ihre Nahrung gesucht.
Eine berauschende Zeit, die beste ihres Lebens. Wenn sie sich auch ungern an
Bastien erinnerte, so dachte sie doch manchmal noch immer an diese unbeschwerten
Nächte.
     
    Das Wummern überlauter Musik drang schon von Weitem an ihre
Ohren. Der Lärm ging von einem grauen Betonklotz aus, dessen Wände im Rhythmus
zu vibrieren schienen. Die Menschen in diesem Gebäude waren jung und hatten
etwas Selbstzerstörerisches. Die Gruppe schwarz gekleideter, bleich
geschminkter Teenager, die vor dem Eingang herumhingen und einen knubbeligen
Zigarettenstummel umgehen ließen, gefiel ihr. Hier würde sie nicht auffallen.
Einfach perfekt.
    »Hey du!« Einer der Jungs sprach sie mit verwaschener Stimme
an. Sie schenkte ihm ein Lächeln - und er verstummte. Sie schob die schwarz
gestrichene Tür auf und ließ sich von dem ohrenbetäubenden Getöse, das ihr
entgegenschlug, willkommen heißen.
    Eine schaurig blass geschminkte Frau wollte, dass sie Eintritt
bezahlte. Erneut kostete es sie ein Lächeln. Die Sterbliche bekam für eine
Sekunde glasige Augen, dann drückte sie ihr einen Stempel aufs Handgelenk und
winkte sie weiter.
    Der Klub war brechend voll, Tanzfläche und Bar überfüllt. Bei
Nacht konnte Madeleine ohnehin keines der üblichen Getränke zu sich nehmen. Und
wie man zu diesem Höllenlärm tanzen sollte, war ihr schleierhaft. Sie drängte
sich durch mehrere Räume, jeder noch lauter und finsterer in der Aufmachung als
der Vorherige.
    Der letzte Raum, zu dem eine Treppe hinab führte, bestand nur
aus schwarz gestrichenen Betonwänden. Darauf waren in Leuchtfarben Symbole
gemalt. Es gab keltische Runen, Pentagramme, ein auf dem Kopf stehendes Kreuz.
    Niemand konnte in dem Lärm aus einem Dutzend Lautsprechern
Madeleines leises Lachen hören. Was sich diese Sterblichen unter der Macht der
Finsternis vorstellten!
    Hier unten war es weniger voll aber verwinkelt. In die
sichtgeschützten Ecken hatten sich Paare zurückgezogen, von denen einige
deutlich mehr austauschten als Küsse.
    »Bist du bescheuert?« Für Madeleines scharfe Ohren übertönten
die aufgebrachten Worte das Getöse. Auf den untersten Stufen der Treppe stand
ein Paar. Es gab ein klatschendes Geräusch, als die junge Frau dem Burschen,
der sie hierher gebracht hatte, eine Ohrfeige verabreichte, »Mieses Schwein«,
murmelte und die Treppe hinaufstapfte.
    Der junge Kerl erholte sich von seiner Verblüffung und wollte
ihr folgen. Doch zuvor traf sein Blick den von Madeleine. Er verharrte mitten
in der Bewegung.
    Madeleine gefiel, was sie sah. Er trug schwarze Jeans und
eine Lederjacke - nichts von der albern düsteren Aufmachung, in der viele der
Gäste herumliefen - und weder Piercings noch Schminke im Gesicht. Die breiten
Schultern und schmalen Hüften verrieten, dass er etwas für seinen Körper tat.
Aber das Beste war, ihr stieg der Duft von jungem, kräftigem Blut in die Nase.
Sie spürte den Druck, der sich in ihrem Oberkiefer aufbaute.
    Der Blickkontakt besiegelte sein Schicksal. Madeleine
dirigierte ihn mit der Kraft ihres Willens zu sich. Seine Augen nahmen einen
glasigen Glanz an, während sie ihn in eine Nische zog. Kein Grund mehr, ihre
Zähne zurückzuhalten. Erleichtert gab sie dem Instinkt nach und ihre Fänge
traten hervor, lang, scharf und knochenweiß. Eine Sekunde flackerte Furcht in
den Augen ihres Opfers auf, als hätte die Beute erkannt, dass sie sich in der
Gewalt eines Jägers befand.
    Madeleine ließ zu, dass ihr Durst sich ins Unermessliche
steigerte. Dunkelheit, Abgeschiedenheit, die lang ersehnte Blutquelle direkt
vor sich. Sie wollte, konnte sich nicht länger zurückhalten. Nur einen kurzen
Moment kamen Zweifel in ihr auf. Dieser Ort war ideal, um ihren Hunger zu
stillen. So ideal, dass es einer Dummheit ihrer Verfolger gleichkäme, ihn
unbewacht zu lassen. Aber der Augenblick der Klarheit währte nicht lange, wurde
verdrängt von ihrer Gier nach Nahrung, dem Duft und dem Rauschen des Blutes in
den
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