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Schlaflos

Schlaflos

Titel: Schlaflos
Autoren: Monika Bender
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Messer darin. Jemand kam auf sie zu. Durch den Tränenschleier
erkannte sie nur vage den Umriss eines Mannes. Madeleine schloss die Augen.
Jetzt war es geschehen! Sie war so lange geflohen - um hier zu scheitern. Die
Schergen brauchten sie nur noch einzusammeln. Warum hatte sie nicht auf den
gefallenen Engel gehört?
    Sicher war dieser Gedanke der Grund, warum sie, mit
schwindenden Sinnen, seine Stimme hörte. »Ganz ruhig! Versuch, dich nicht zu
bewegen.«
    Ungläubig blickte sie auf, in sein Gesicht. Es musste an der
Dunkelheit auf diesem Dach liegen, dass ihr seine Augen nicht ganz so
himmelblau und sein Haar in einem schmutzigeren, von dunkleren Strähnen
durchzogenen Blondton erschienen.

06
    Sie lag nicht mehr auf hartem Stein, sondern auf einer
weichen, nachgiebigen Unterlage, in einem abgedunkelten Zimmer. Im Nebenraum
konnte sie murmelnde Stimmen ausmachen.
    Sie lag zusammengerollt, die Beine angezogen, ihren gesunden
Arm schützend um sich geschlungen, als hätte sie im Schlaf gespürt, wie ihr
Federkleid sich auflöste. Sie war splitternackt. Was bedeutete, die Sonne musste
inzwischen aufgegangen sein. Bei Tag reichte die Magie nicht aus, die Federn
des Vogels in Kleidung zu verwandeln.
    Einen Augenblick wünschte sie sich, einfach in die
Bewusstlosigkeit zurückzusinken. Doch dann wäre sie den Schergen noch hilfloser
ausgeliefert. Ergeben öffnete Madeleine die Augen ganz und stellte sich ihrem
Schicksal.
    Sie erblickte ein luxuriöses Hotelzimmer. Alles war in
Cremetönen gehalten, mit goldenen Akzenten. Die Stimmen wurden deutlicher. Ein
Mann und eine Frau.
    »Sie brauchen das kleine Schlafzimmer nicht aufzuräumen. Das
geht in Ordnung. Hier, das ist für Sie.«
    Die Frauenstimme bedankte sich überschwänglich. Schwere
Schritte näherten sich der Tür. Madeleine ignorierte die Schmerzen in ihrem
Arm. Panisch zerrte sie an der Bettdecke, auf der sie lag, kroch darunter und
zog sie über sich.
    Ein schmaler Lichtstreifen drang zur Tür herein, wurde
breiter. Geblendet und voller Furcht starrte sie der dunklen Silhouette
entgegen und schlang die Decke noch fester um sich.
    »Guten Morgen, Madeleine«, sagte Armand.
     
    Madeleine saß im Bett, die flauschige Zudecke bis zum Kinn
hochgezogen. Armand lehnte neben der Tür an der Wand. Sie war erleichtert, dass
er nicht näher kam.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Ich bin dir gefolgt.«
    Ihr vorwurfsvoller Blick prallte an ihm ab. Ohne sein
Eingreifen wäre sie jetzt tot oder auf dem Weg zu Bastien.
    »Was hast du mit ihnen gemacht?«
    »Sie können niemandem mehr schaden.« Seine Stimme klang
eisig, seine Miene wirkte verschlossen.
    »Du hast sie getötet?«, hakte sie vorsichtig nach.
    Armand schwieg. Ein leichter Schauder überlief sie.
    Keiner von Bastiens Lakaien hatte Mitleid verdient. Sie
wusste, welche Art von Männern Bastien in seinen Diensten bevorzugte. Aber die
Kälte, die Armand ausstrahlte, machte ihr zu schaffen. Sie schien nicht seinem
Wesen zu entsprechen.
    Woher willst du das wissen , schalt sie sich.
    Diese Situation passte allzu perfekt zu ihren Schwächen. Nach
allem, was sie wusste, mochte Armand keinen Deut besser sein, als ihr
Exliebhaber. Er tötete kaltblütig diejenigen, die seiner Rache im Weg waren. In
ihrem hartnäckigen Opferkomplex wollte sie unbedingt einen edlen Retter in ihm
sehen. Aber die Chancen standen gut, dass sie damit ebenso falsch lag wie
damals bei Bastien.
    Ich muss einen klaren Kopf behalten , redete sie
sich zu. Auf keinen Fall durfte sie sich in irgendwelche Gefühlsduseleien
verstricken!
    »In absehbarer Zeit werde ich de Villefort entgegentreten«,
antwortete Armand schließlich. »Je mehr seiner Lakaien ich ausschalten kann,
umso besser.« Finster kniff er die Augen zusammen. »Außerdem waren sie zu
stark. Ich hätte sie nicht einsperren oder gefangen halten können. Sie wären
jetzt schon hinter uns her.«
    Uns, hat er gesagt! Die Stimme kam leise und hoffnungsvoll aus ihrem Bauch. Sie
befahl ihr zu schweigen.
    »Ist das deswegen passiert?« Madeleine fasste in ihre
zerzausten Locken. Sein Haar und seine Augen waren tatsächlich eine Nuance
dunkler als in ihrer Erinnerung. »Weil du ... getötet hast?«
    Armand gab ein abgehacktes Lachen von sich. »Ich vergesse
immer, welche kindlichen Vorstellungen ihr Christen von den höheren Sphären
habt. Wir sitzen nicht auf den Wolken und spielen Harfe! Wie der Name es sagt,
sind die meisten Angehörigen der himmlischen Heerscharen Krieger. Es ist nicht
das
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