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Schlaflos

Schlaflos

Titel: Schlaflos
Autoren: Monika Bender
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Halb
erwartete sie, ihr Gegenüber würde sie doch noch für verrückt erklären. „...
wirklich ein Vampir?“
„Ein Bluttrinker,“ berichtigte Nora. „Die meisten ziehen diese Bezeichnung dem
Wort Vampir vor. Damit verbinden sich zu viele der albernen Vorstellungen, die
Sterbliche sich ausgedacht haben.“
„Ah“, machte Tony. Bisher hatte sie die generelle Annahme, es könnte Vampire
geben, hinreichend albern gefunden. Das sagte sie Nora.
„Vampire sind nur ein Mythos für die meisten Menschen. Aber wie viele Mythen
hat auch dieser einen realen Hintergrund. Es wurde natürlich viel dazu
gedichtet. Besonders seit Bram Stoker dieses peinliche Buch geschrieben hat“,
erläuterte Nora. „Für viele Bluttrinker ist das noch immer ein rotes Tuch.“
Tony nickte, zögerte einen Moment. „Und wie ist es wirklich?“ Die Frage verließ
ihren Mund beinahe gegen ihren Willen.
Sie musste restlos verrückt sein! Saß sie hier tatsächlich mit der Mutter eines
Vampirs und plauderte bei Tee und Kuchen über die Lebensumstände nächtlicher
Blutsauger?
    „Natürlich, woher sollten Sie wissen, was Blödsinn ist und
was nicht.
Nun, dass Bluttrinker warmblütig sind, haben Sie schon herausgefunden, nicht
wahr?“
Noras Lächeln ließ Tony das Blut in die Wangen schießen.
„Wenn ich mich an die letzten Filme erinnere, die ich gesehen habe, sollte ich
vielleicht als Erstes erwähnen, dass es unter Bluttrinkern als ein schweres
Vergehen gilt, die Menschen, von denen sie trinken, zu töten. Darauf steht die
Todesstrafe. Sie können sich nicht in irgendwelche Tiere oder Nebel verwandeln.
– Was gibt es noch?“
„Was ist mit Sonnenlicht?“
„Sonnenlicht enthält verschiedene Strahlungen, die Bluttrinker verbrennen. Es
ist heute nicht mehr so tragisch wie früher. Heutzutage sind die Häuser sehr
dicht und es gibt gute Jalousien. Aber es stimmt: Sie können tagsüber nicht
rausgehen.“
„Aber Sie schon?“
„Ich kann rausgehen. Zwar bin ich, seit ich Johanns Gefährtin bin, ein wenig
lichtempfindlicher als früher. Aber ich bemerke den Unterschied nur im Sommer,
wie jetzt, wenn den ganzen Tag die Sonne scheint. Ich bekomme etwas schneller
einen Sonnenbrand. Es ist nicht dramatisch.
Ach ja, und sie können kein normales Essen zu sich nehmen. Jedenfalls nicht
mehr, nachdem ihre Fänge gewachsen sind, was zu Beginn der Pubertät geschieht.“
    Tony hatte ihren Kuchen verspeist und Nora packte ihr
kommentarlos ein zweites Stück auf den Teller. Erst als auch ihre Tasse wieder
gefüllt war, realisierte Tony, was Nora da erzählte.
„Pubertierende Vampire? Das klingt noch viel sonderbarer, als sich in Nebel zu
verwandeln.“
Nora lachte. „Sie wissen gar nicht, wie recht Sie haben. Diese Burschen sind
wesentlich schlimmer als menschliche Teenager. Und ausgesprochen frühreif.
Ich war zuerst ärgerlich auf Johann, weil er Lukas nach London ins Internat
geschickt hat. Heute muss ich zugeben, dass es das einzig Richtige war. Ich
hätte ihn zu sehr verwöhnt, und das bekommt diesen Jungs überhaupt nicht.“
„Sie meinen, es gibt in London ein Internat für ...“
„Oh, ja. Jeremias Hunter ist eine Institution für unsere Leute. Seine Schule
ist nicht die einzige hier in Europa, aber auf jeden Fall die Beste weltweit.“
„Dann kommen Vampire – ich meine Bluttrinker – ganz normal auf die Welt, wie
andere Menschen auch?“
Nora nickte nur. Sie hatte grade ein großes Stück Pfirsich in den Mund
gesteckt.
„Ist Lukas nicht ein Halbvampir, oder so was in der Art?“
„Ach ja, richtig, das hätte ich beinahe vergessen. Alle Bluttrinker sind
Männer. Wenn sie eine Familie gründen wollen, müssen sie sich eine sterbliche
Frau suchen und sie zu ihrer Gefährtin machen.“ Nora legte die Hand über ihre
üppige Brust. „So wie bei mir. Sie können nämlich nur mit einer Gefährtin
Kinder haben. Und die sind alle männlich und alle zukünftige Bluttrinker.“
„Aber wenn ein Bluttrinker nun eine Frau beißt ...“, Tony unterbrach sich
selbst. „Ach ja, dann müsste ich ja auch ein Vampir geworden sein. Also können
sie auch keine Frauen zu Vampiren machen?“
Nora schüttelte ein paar Kuchenkrümel von ihrem Oberteil.
„Niemand kann zu einem Bluttrinker gemacht werden. Das wäre, als wollte man
eine Hauskatze in einen Tiger verwandeln.“
„Also auch nichts mit: Dracula ritzt sich die Brust auf und gibt Mina sein Blut
zu trinken?“
„Das“, erklärte Nora, „ist eine andere Geschichte. Wenn ein Bluttrinker sich
fest
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