Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlaflos

Schlaflos

Titel: Schlaflos
Autoren: Monika Bender
Vom Netzwerk:
den Schlaufen
zu ziehen. Eilig legte sie den Lederriemen oberhalb der Wunde um sein Bein. Nur
noch wenig Blut drang aus dem Schnitt, in einem Rhythmus, der schwächer wurde,
während sie zusah.
    Sie zurrte den Gürtel fest. Mit blutbeschmierten Fingern
betastete sie sein Gesicht. »Armand, bitte!« Dann nach seinem Puls. Sie beugte
sich über seinen Mund, über seinen Brustkorb. Das Einzige, was sie hörte, waren
ihre eigenen keuchenden Atemzüge. Sie schluckte, hielt die Luft an. Nichts! Sie
bemerkte, dass sie weinte, als ihre Tränen auf Armands Hemd tropften.
    Sie zog seinen Oberkörper wieder zu sich heran, bettete
seinen Kopf in ihren Schoß. »Es tut mir leid, Armand«, flüsterte sie. Es gab
nur noch eine einzige, folgenschwere Option!
    Sie führte die Hand zum Mund, biss in ihr eigenes Handgelenk.
Sie keuchte. So stark hatte sie sich den Schmerz nicht vorgestellt! Dennoch
trieb sie die Reißzähne tiefer in ihre Ader. Sie zwang seine Lippen auseinander
und ihr Blut tropfte in seinen Mund.
    Er zeigte keinerlei Reaktion. Sofort kehrte die Panik zurück.
Gewiss musste er das Blut schlucken! Oder reichte es, wenn es in seine Kehle
lief? Würde es ihn ersticken, statt ihn zu retten, wenn es in seine Lunge
gelangte? Darüber hatte sie bisher niemals nachgedacht.
    »Bitte, Armand! Sie massierte seine Kehle. »Schlucken! Nur
einmal schlucken.« Er blieb völlig reglos.
    Nach einer Weile versiegte der Blutstrom aus ihrem
Handgelenk. Ihre Ader hatte sich geschlossen. Sollte sie ihm mehr geben?
    Daran kann es nicht liegen , machte sie sich klar. Bastien
hatte sich ständig neue Schergen geschaffen. Unvorstellbar, dass er freiwillig
so viel Blut geopfert hätte.
    Was musste jetzt eigentlich geschehen? Und wie lange würde es
dauern, bis es passierte? Was, wenn sie zu lange gezögert hatte?
    Kein Atem, kein Puls. Armands Haut war schon immer hell
gewesen. Jetzt war er ebenso bleich wie sie. Sein Haar war tiefschwarz, was
wohl bedeutete, dass der Kampf gegen Bestien den letzten Rest Lichtenergie
aufgebraucht hatte.
    Madeleine beugte sich vor und untersuchte sein Bein. Sie
schluchzte. Tränen der Erleichterung stiegen auf. Die Wunde hatte sich beinahe
geschlossen! Schnell entfernte sie den Gürtel. Das Vampirblut musste sich im
ganzen Körper ausbreiten, so viel wusste sie.
    Der Kampf war ihr wie eine Ewigkeit erschienen, aber es
blieben noch Stunden bis zum Sonnenaufgang. Genug Zeit für Armand. Die Wandlung
würde abgeschlossen sein, lange bevor sie sich vor der Sonne in Sicherheit
bringen mussten. Gerade für einen neuen Vampir war das wichtig.
    Ein neuer Vampir!
    Madeleine schlang die Arme um sich und betrachtete den
reglosen Körper, der vor ein paar Tagen noch ein Engel gewesen war. Blond und
strahlend. Der verrückten Stimme in ihrem Hinterkopf, die ihr zuflüsterte, dass
ihm die Dunkelheit viel besser stand, befahl sie zu schweigen.
    Das alles war ihre Schuld! Er würde sie hassen, wenn er
aufwachte, ganz bestimmt sogar!
    Aber es war seine Entscheidung gewesen, zu bleiben, statt mit
den Erzengeln zurückzukehren , widersprach sie sich selbst.
    Es ist ein erheblicher Unterschied, noch ein paar Tage auf
Erden zu bleiben, oder in ein Wesen der Dunkelheit verwandelt zu werden, mahnte eine
andere Stimme.
    Die Erzengel hatten Armand nur zurückgelassen. Verdammt
hatten sie ihn nicht. Gewiss hätte sich ein Weg gefunden.
    Aber er wäre gestorben!
    Ob er das akzeptieren konnte, ihr überhaupt glauben würde?
    Madeleines Blick wanderte zum Himmel. Ein paar Sterne
schimmerten durch eine Wolkenlücke. Sie wurde sich der anhaltenden Stille
bewusst. Zumindest die Explosion müsste weithin sichtbar und hörbar gewesen
sein. Genauso wie der Aufruhr, den die Erzengel mit ihrer Energiesäule
veranstaltet hatten. Es konnte nur irgendein Trick der höheren Sphären
dahinterstecken, der verhinderte, dass ihre Aktivitäten unerwünschte Aufmerksamkeit
auf sich lenkten. Sehr praktisch.
    Armand würde lernen müssen, darauf zu verzichten. Er würde
vieles lernen müssen. Und sie, seine Schöpferin, musste es ihn lehren. Dem
konnten sie beide nicht entkommen, ganz gleich, ob Armand, der Schlaflose, sie
lieben oder hassen würde.
    Ein verzweifeltes Geräusch, halb Schluchzen, halb Seufzen
stahl sich aus ihrer Kehle. Es verursachte nur sinnlosen Schmerz, hier zu
sitzen und über seine möglichen Reaktionen zu brüten. Armand würde bald
aufwachen. Dann würde sie wissen, wie er empfand. Ob er an ihrer Seite bleiben
würde, oder ob sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher