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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia
Autoren: Stephen King
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»aber die Erinnerung wird mich ein Leben lang begleiten.«
    Ein neuerlicher Donnerschlag ließ den Tag erbeben, daher hörte der Schwergewichtige nicht, was Ed Deepneau als Nächstes sagte. Aber Ralph hatte es gehört, und ihm lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
    »Diese Fässer sind voller toter Babys«, sagte Ed. »Wirst schon sehen.«
    Der Schwergewichtige ließ den Deckel des ersten Fasses aufschnappen, und die Überzeugung in Eds Stimme war so groß, dass Ralph halb damit rechnete, ein Durcheinander von Armen und Beinen und kahlen kleinen Köpfen zu sehen. Stattdessen sah er eine Mischung aus feinen blauen Kristallen und braunem Zeugs. Der Geruch, der von dem Fass aufstieg, war schwer und torfig, mit einer schwachen chemischen Note.
    »Sehen Sie? Zufrieden?«, fragte der Schwergewichtige und wandte sich direkt an Ed. »Also bin ich doch nicht Ray Joubert oder dieser Dahmer. Was sagt man dazu!«

    Eds Gesicht hatte wieder den verwirrten Ausdruck angenommen, und als wieder ein Donnerschlag ertönte, zuckte er leicht zusammen. Er beugte sich nach vorn, streckte eine Hand nach dem Fass aus und sah den Schwergewichtigen dann fragend an.
    Der große Mann nickte ihm fast mitfühlend zu, fand Ralph. »Klar, fassen Sie es nur an, von mir aus. Aber wenn es regnet, während Sie’s in der Hand halten, tanzen Sie wie John Travolta. Es ätzt.«
    Ed streckte die Hand in das Fass, nahm etwas von der Mischung und ließ sie zwischen den Fingern durchrieseln. Er warf Ralph einen verwirrten Blick zu (der auch eine Spur Verlegenheit enthielt, fand Ralph), dann bohrte er den Arm bis zum Ellbogen in das Fass.
    »He!«, rief der Schwergewichtige, erschrocken. »Das ist keine Packung Cracker Jack! Kein Karamellpopcorn mit Erdnüssen und Gratisspielzeug!«
    Einen Augenblick breitete sich das listige Grinsen wieder in Eds Gesicht aus - ein Ausdruck, der sagte: Ich kenne bessere Tricks als den -, aber dann gewann wieder Verwirrung die Oberhand, da er weiter unten auch nichts anderes als Dünger fand. Als er den Arm aus dem Fass herauszog, war dieser staubig und roch nach der Mischung. Ein weiterer Blitz explodierte über dem Flughafen. Der darauffolgende Donner war beinahe ohrenbetäubend.
    »Ich warne Sie, entfernen Sie das von Ihrer Haut, bevor es regnet«, sagte der Schwergewichtige. Er griff zum offenen Beifahrerfenster des Rangers hinein und holte eine McDonalds-Tüte heraus. Darin kramte er und brachte ein paar Papierservietten zum Vorschein, die er Ed reichte, worauf dieser anfing, den Düngerstaub von seinem Unterarm
zu reiben wie ein Mann in einem Traum. Derweil setzte der Schwergewichtige den Deckel wieder auf das Fass, hieb ihn mit einer großen, sommersprossigen Faust fest und warf dabei rasche Blicke zum dunklen Himmel. Als Ed die Schulter seines weißen Hemds berührte, erstarrte der Mann, wich zurück und sah Ed argwöhnisch an.
    »Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Ed, und Ralph fand, dass sich seine Stimme zum ersten Mal völlig klar und normal anhörte.
    »Sie sind ja ein Herzblatt«, sagte der Schwergewichtige, aber er hörte sich erleichtert an. Er spannte die Plastikplane wieder und zurrte sie mit einer Reihe rascher, zielstrebiger Griffe fest. Als er ihm zusah, wurde Ralph schlagartig bewusst, was für ein verschlagener Dieb die Zeit doch war. Einst hätte er einen solchen Schotstek-Knoten mit demselben Geschick binden können. Zwar wusste er auch heute noch, wie der Knoten zu binden war, aber er hätte mindestens zwei Minuten und vielleicht drei seiner besten Flüche dafür gebraucht.
    Der Schwergewichtige schlug auf die Plane, dann drehte er sich zu ihnen um und verschränkte die Arme vor seinem gewaltigen Brustkorb. »Haben Sie den Unfall gesehen?«, fragte er Ralph.
    »Nein«, sagte Ralph sofort. Er hatte keine Ahnung, warum er log, aber die Entscheidung dazu kam ohne Zögern. »Ich habe gerade zugesehen, wie das Flugzeug gelandet ist. Die United.«
    Zu seiner völligen Überraschung wurden die roten Flecken auf den Wangen des Schwergewichtigen größer. Du hast auch zugesehen!, dachte Ralph plötzlich. Und du hast nicht nur zugesehen, wie sie gelandet ist, sonst würdest du
nicht so erröten … du hast ihr nachgesehen, wie sie zum Terminal gerollt ist!
    Diesem Gedanken folgte eine vollkommene Offenbarung: Der Schwergewichtige glaubte, dass der Unfall seine Schuld gewesen war, oder dass der oder die ermittelnden Cops, die kommen würden, um die Sache zu protokollieren, es so
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