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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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der Sonne geblichen. Er sah aus wie ein Surfer. Nur die Bestürzung in seinem Gesicht passte nicht ins Bild. Er gehörte nicht dahin, war Sanna klar geworden, und sie hatte sich plötzlich gewünscht, er wäre nicht gekommen. Bernd hatte alles versucht, um sie zu trösten. Er war wundervoll gewesen. Trotzdem. Sanna hatte seine Nähe plötzlich nicht mehr ertragen. Zwei Wochen danach hatte sie Schluss gemacht.
    Das Klingeln des Handys ließ sie aufschrecken. Eilig kramte sie es hervor und sah aufs Display. Es war ihre Tante Renate. Sie rief aus dem Teutoburger Wald an, aus Sannas zukünftigem Zuhause.
    »Hallo, mein Vögelchen!«, zwitscherte sie. »Ich wollte mich nur kurz melden, um zu sagen, dass alles bereit ist. Ach, Liebes, ich bin schon ganz aufgeregt. Ich freu mich so auf dich!«
    Sie sah ihre Tante vor sich, die grellrot gefärbten Locken und die strassbesetzte Brille. Dazu ein Lächeln, bei dem man nie so recht wusste, ob sie nicht heimlich gekifft hatte.
    »Hier ist alles fertig, Schätzchen«, fuhr sie fort. »Na ja, wenigstens so weit fertig, dass du einziehen kannst. Viele Möbel gibt es nicht, aber du hast eine Schlafcouch und einen Fernseher.«
    »Das reicht doch fürs Erste. Vielen Dank, Tante Renate. Das mein ich ganz ehrlich.«
    »Ach was, wofür denn? Das versteht sich doch von selbst. Die restlichen Möbel besorgen wir dir, wenn du hier bist.«
    Sanna lächelte. Sie würde nie verstehen, weshalb sich ihre Familie Tante Renate gegenüber so herablassend gab. Selbst damals, als sie noch Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau war, wurde nur die Nase gerümpft. Dann kamen die Scheidung, der Jobverlust, die Schulden und schließlich der Umzug in die Provinz, wo sie seitdem für ein Lokalblatt über Schützenfeste und Jahrmärkte schrieb. Ein grandioser Absturz, und in Sannas Familie hieß es nur, das hätte man schon immer kommen sehen. Nie hatte es eine Rolle gespielt, dass Tante Renate ein Herz aus purem Gold hatte. Offenbar war das für die anderen nicht von Wert. Aber so war ihre Familie nun mal.
    »Ich wünschte nur, ich könnte dir auch besseres Wetter organisieren«, sagte Tante Renate. »Gestern Nacht habe ich wirklich gedacht, die Welt geht unter. Und die nächste Regenfront ist bereits im Anmarsch. Glaub mir, so was hab ich noch nie gesehen. Nun ja. Ich werde dich jedenfalls morgen in Bielefeld am Bahnhof abholen.«
    »Nein, das ist doch nicht nötig. Ich kann …«
    »Keine Widerrede. Du wirst da nicht im strömenden Regen stehen und auf den Bus warten. Ich habe schon alles mit meinem Chef besprochen. Ich werde am Bahnhof sein.«
    Bevor Sanna weiter widersprechen konnte, nieste ihre Tante mehrmals kräftig in den Hörer und murmelte dann etwas vom verfluchten Regenwetter. Das Thema war also erledigt.
    »Deine letzte Nacht in Berlin«, schwärmte Renate. »Bist du schon aufgeregt? Morgen geht’s los.«
    »Am liebsten würde ich ja sofort kommen. Papa und Mama geben noch ein Abschiedsessen in der Villa, davor kann ich mich wohl nicht drücken.«
    »Ach, sei nicht ungerecht. Sie lieben dich eben.«
    Dazu wollte sich Sanna lieber nicht äußern. Tante Renates Stimme wurde ganz weich: »Es ist für sie auch nicht einfach, mein Engel. Sie tun ihr Bestes.«
    Sanna schnaubte. Wenn ihre Tante wüsste, wie die Eltern hinter ihrem Rücken über sie sprachen.
    »Gib dir ein bisschen Mühe, dann wird es bestimmt ein netter Abend. Und wir zwei sehen uns morgen in Bielefeld am Bahnhof. Ich freu mich auf dich, mein Schatz.«
    Und damit war das Gespräch beendet. Sanna steckte das Handy zurück in die Tasche und startete den Motor. Vincent hatte ihr angeboten, den BMW zu nehmen. Nur fürs Erste, bis sie ein eigenes Auto hatte. Es war ihm sichtbar schwergefallen, doch das Angebot galt. Dabei wollte Sanna den Wagen gar nicht. Sie wollte ohne Altlasten nach Ostwestfalen gehen. Ein richtiger Neustart und keine halben Sachen. Außerdem: Das Auto wäre nur ein zusätzliches Problem, sollte ihre Beziehung die Entfernung nicht verkraften. Aber das hatte sie Vincent natürlich nicht gesagt.
    Trotzdem spürte sie einen Anflug von schlechtem Gewissen. Vincent hatte ihr Halt gegeben, die ganze Zeit über. Er hatte ihre Trauer akzeptiert. Doch ein Teil von ihr glaubte, dass Vincent in ihr zukünftiges Leben nicht mehr hineinpassen würde. Dass es besser wäre, die Sache gleich zu beenden.
    Ihre Mutter erwartete sie schon. Sie stand auf der Freitreppe der Dahlemer Villa, mit einer Haltung, als würde gleich ein
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